Gehe soweit wie du sehen kannst. Wenn du dort angekommen bist, wirst du sehen, wie es weiter geht. (Thomas Carlyle)
Der Stubaier Höhenweg gilt als einer der populärsten und schönsten Höhenwege der Alpen. Auf überwiegend schwierigen (schwarzen) Bergwegen schlängelt sich der Weg hoch oben auf knapp 80 km einmal rundum das Stubaital. Ein Tourenbericht vom Trekking mit Hund auf dem Stubaier Höhenweg, selbstversorgend mit Zelt in nur 4 Tagen. Ich möchte hier weniger auf Etappenbeschreibungen (davon gibt es Hunderte im Netz), sondern mehr auf Schlüsselstellen mit Hund eingehen. Denn da habe ich im Vorfeld wenig Infos gefunden (wahrscheinlich sind allgemein kaum Hunde da unterwegs 😉 ). Wenn ihr Fragen habt oder mehr Infos wollt, schreibt mir einfach und ich suche bei Bedarf noch die Detailfotos heraus.
An einem Freitagmorgen verlassen wir mit der Kreuzkofelbahn das Tal und gelangen nach rascher Fahrt in die noch nebelige Bergwelt. Schon bald reisen die Wolken auf und wir genießen die dolomitenähnlichen Berge auf unserem Weg zur Starkenburger Hütte. Ohne größere Anstiege geht es immer auf der Höhe entlang, mal mehr oder weniger ausgesetzt mit ein wenig Kraxeln, aber ohne nennenswerte Schwierigkeiten.
Nach einem ruhigen Nachtlager auf einer Wiesenterasse laufen wir die restlichen Meter bis zur Franz-Senn-Hütte. Dort gibt es ein ausgedehntes Müslifrühstück, denn danach wartet ein langer Aufstieg (ca. 650 hm) auf uns – der Schrimmennieder. Teils über Blockgelände und weglos erreichen wir den Pass und steil bergab führt der Weg Richtung Neue Regensburger Hütte. Ein Hirte ruft seine Schafe zusammen, während unsere Knie leicht schmerzen und wir das Nüsse-und-Riegel-Mittag an der Hütte kaum erwarten können.
„Grawagrubennieder“ steht an den Wegweisern. Mmh, da klingelt doch was bei mir. War das nicht als DIE Schlüsselstelle des Stubaier Höhenwegs beschrieben? Nunja, wir werden sehen. Erst gemächlich entlang des herrlichen Falbesoner Baches, dann steiler bergan, durch Blockgelände mit Blick auf (die Reste) des Grawand- und Hochmoosferners. Mein Blick folgt den rot-weißen Wegmarkierungen und endet an einem Felsriegel hoch oben. Ahja… bis dort hin führt durch arg steiles Schuttgelände ein Drahtseil. Der hechelnden Fellnase nehme ich den Rucksack ab und packe ihn mir noch oben drauf. Dann ziehen wir uns am Drahtseil empor. Gleich danach kommt eine nahezu senkrechte Felsstufe mit Tritthilfen. Während ich vorgehe und Mexx mit Zug von oben nachhole, stützt meine Freundin Nicole den grauschwarzen Hundepops von unten – und schwups geschafft! Das Gelände wird leichter und wir erreichen glücklich die Scharte.
Der Abstieg führt uns Richtung Mutterberger See. Ein türkisschimmerndes Fleckchen, das wir immer wieder erblicken, während sich der Abstieg mit kleineren Zwischenanstiegen zieht… dann endlich schlagen wir erschöpft unser Lager auf. Ein Träumchen!
Der Wind streicht sanft durch die Blumenköpfe. Der Magen, warm gefüllt mit Buchweizen, wir sitzen im Gras. Mein Blick schweift in die Ferne und kommt nur bis zur nächsten Bergkette, Fels und Eis, von der sinkenden Sonne angestrahlt. Nicole schlägt ihr Buch auf – „Komm, erzähl mir eine Geschichte“ – und liest vom Elefanten vor, der an einem winzigen Holzpfahl hängt und sich doch nicht befreien kann. Warum? Weil er schon als Babyelefant dort angekettet war und gelernt hat, dass dieser kleine Zahnstocher ihn festhält, ihm Grenzen setzt. Vor vielen Jahren hat er es nicht geschafft sich zu befreien und das, denkt er, ist heute genauso. Deswegen versucht er es gar nicht erst. Nur weil wir einmal etwas nicht geschafft haben, heißt das nicht, dass wir es nicht können. Oftmals bauen wir uns aus Zahnstochern unsere eigenen Gefängnisse.
Leicht bergab und dann bergauf zum Egesennieder führt uns der Weg zur Dresdner Hütte. Direkt im Skigebiet gelegen – nunja, ich wende meinen Blick schnell von den zugebauten Hängen ab. Der nächste Anstieg auf das Peiljoch sieht furchteinflößend lang aus, doch mit konstantem Tempo und ein paar Pausen durchwandern wir erst die Flanke, gelangen dann auf einen Grat und steigen durch Blockgelände hinauf zum Pass. Ein kleiner Jubelschrei ertönt als wir den Sulzenauer See unterhalb des Gletschers mitsamt Eisinsel sehen.
bergab geht es mit ein paar Drahtseilstellen, wenn man den Weg in der Höhe zur Sulzenauer Hütte wählt und nicht den Wilde Wasser Weg am Bach entlang. Und dann liegt sie vor uns, im Schatten tanken wir Nahrung, Wasser und Kraft für den – naja, was sonst – nächsten Aufstieg.
Entlang des größten Stubaier Bergsees zweigt der Weg links hoch – optionale Besteigung der Mairspitze möglich. Doch wir sind „Fauli“ und angesichts der immerwährenden Hitze gehen wir „nur“ zum Niederl. Auf halber Höhe des Endanstieges in Geröll und Block kommt uns ein Trailrunner entgegen. „Da kommt ihr mit Hund nicht hoch.“, sagt er. Aha, soso. Wir werden sehen. Der Durchstieg durch den Felsriegel ist drahtseilversichert, gestuft und leicht geneigt. Als ich oben am Niederl ankomme, denke ich mir: „Mmh, das war ja eine unserer leichteren Übungen.“ Die Wanderer am Pass sind ebenso erstaunt, aber doch eher fasziniert, wie souverän sich Fellnase im Fels bewegt.
Kurz nach dem Niederl wird es etwas ausgesetzter, dann entspannt sich die Kraxelei wieder bis zum normalen Gehgelände und die Nürnberger Hütte kommt in Sicht. Hier legen wir keinen Stop ein, sondern laufen direkt bis ins „Paradies“ 😉 . Um dorthin zu gelangen, müssen wir eine steile glatte Rinne mit Tritthilfen absteigen. Ich überlege gerade, wie ich Mexx sichern kann, da sucht er sich (ohne Hunderucksack) seinen Weg entlang eines Grasstreifens links durch die Felsplatten selbst. Wälzt sich im grünen Gras, bis wir Zweibeiner auch endlich unten ankommen. Der Weg ins Paradies ist steinig, lang und etwas schwierig 😉 – noch einige drahtseilversicherte Stellen erwarten uns, eine glatte Querung und ein paar Steilstufen, die Herr Hund wieder spielend meistert.
Vom Paradies folgen wir den Markierungen zum Simmingjöchl, auch hier wieder glatte Felsplatten, Drahtseilversicherungen, Blockgelände. Doch keine größeren Schwierigkeiten. Oben auf dem Joch spendet uns eine kleine verschlossene Hütte einen wohlverdienten Frühstücksplatz. Bergab zur Bremer Hütte warten auch noch einige Kraxeleinheiten auf uns, aber stellen keine Hindernisse da. Obwohl mal wieder entgegenkommende Wanderer ungläubig gucken, was denn der Wolf mit roten Taschen so alles kann… 😉
Kurzer Boxenstop an der urigen und idyllisch gelegenen Bremer Hütte. Von dort gibt es zwei Möglichkeiten zur Innsbrucker Hütte – einfacher mit einem Ab- und Aufstieg mehr oder schwierig höhehaltend mit Klettersteig (B-Schwierigkeit). Ganz klar, wir nehmen den einfacheren Weg, der im Abstieg mit ein paar drahtseilversicherten Steilstufen auf uns wartet. Alles machbar, oftmals geht Mexx seinen eigenen Weg, während ich ihm noch zurufe, „Warte, ich helfe dir…“ Meine Hilfe wird gar nicht benötigt, die Hundeaugen erblicken meist eine einfachere Umgehung. Und dann zäh wie Kaugummi, das nicht enden wollende Bergauf Bergab, teils ausgesetzt, teils drahtseilversichert. Auf jedem Pass erwartet man den Blick auf die Innsbrucker Hütte und erblickt den nächsten Ab- und Aufstieg. Doch endlich… geschafft! Verspätetes Pastamittag an der Hütte um Kraft zu tanken für den langen Weg zurück ins Tal, zurück zum Parkplatz, wo uns nach 15 h auf den Beinen ein nahezu luxuriöses Kofferraumhotel erwartet 😉 .
Trekking mit Hund auf dem Stubaier Höhenweg, komplett in nur 4 Tagen, selbstversorgend mit Zelt. Ich glaube, wir haben es tatsächlich geschafft…
In der Innsbrucker Hütte schaute ich seit Tagen mal in den Spiegel. Haare zerzaust, Sonnencreme im Gesicht, die Nase blutverkrustet aufgrund Nasenbluten – aber die Augen, sie strahlen. Diese unzähligen wunderschönen Augenblicke, die in mir fast ein „Overloading“ hervorrufen – niemand kann sie dir wieder nehmen…
Tausend Dank an meine beiden Begleiter: treue, tapfere Fellnase – es ist jedes Mal ein Wunder, was du möglich machst. Meine Freundin Nicole – das erste Mal überhaupt!!! Bergwandern und dann solch einen Biss an den Tag gelegt. Da frage ich mich, wer hier wen gescheucht hat 😉 Ich ziehe meinen verschwitzten Sonnenhut vor dir. Und natürlich Dank dem Zweibeiner zuhause, der mich sein Auto wieder in eine hundehaar- und krümelverseuchte Wohnung hat umverwandeln lassen und mein „Ich bin dann mal weg“ mit stoischer Gelassenheit hinnimmt.
Stubaier Höhenweg mit Hund // Herausforderungen
- absolute Trittsicherheit und Kraxelkönnen für Mensch und Hund erforderlich! Kleine Hund können natürlich viel leichter unterstützt werden, als größere Hunde. Bitte nur für erfahrene Berg-Hunde-Teams – ihr wisst, was euer Hund kann und was nicht.
- alle Kraxelstellen und oftmals auch die ausgesetzten Pfade sind mit Drahtseil versichert.
- Etappenlänge frei wählbar. „Normal“ sind 8 Tage auf dem Weg. 4 Tage ist super sportlich und nur bei gutem, stabilem Wetter möglich.
- Bis auf die erste Etappe (Starkenburger Hütte – Franz Senn Hütte) gibt es ausreichend Bergbäche, spätestens immer Wasser an den Hütten, die in kurzem Abstand aufeinander folgen.
- Bei Übernachtung auf den Hütten vorher nachfragen, ob Hund erwünscht und unbedingt reservieren, da Hunde nicht ins Lager dürfen.
Weitere Tourenberichte vom Trekking mit Hund:
- Trekking / Klettersteig mit Hund im Val Grande – Into the Wild
- Trekking mit Hund: Gardaseeberge (Winter)
- Zuggeschirr für Hunde im alpinen Gelände
- Trekking mit Hund: Stubaier Höhenweg in 4 Tagen
- Trekking mit Hund: Piz Bernina Umrundung /Alta Via Valmalenco/Scersen Trail
- Trekking mit Hund: Tour du Mont Blanc
- Trekking mit Hund: Karnischer Höhenweg – Via della Pace
- Ski-(Winter-)trekking mit Hund mit Backcountry Ski – Tipps & Erlebnisbericht am Erzgebirgskamm
- Trekking mit Hund – Über das Tennengebirge
- Trekking mit Hund: Aostatal Höhenweg Nummer 1 – Weg der Riesen
Weitere Tipps :
Wintertrekking – Backcountry Skitouren – Winterzelten mit Hund
Ulrich Mittring
3 Aug 2022Hallo Francie, also was du da so machst, ist schon beeindruckend! Schön beschrieben und auch wunderbare Bilder mit dem „Wolf“. Gut dass ich auch bald loslaufen kann, sonst wäre ich fast noch neidisch.
Ich wollte dir ja noch meine Packliste schicken…die ist jetzt nochmal getestet und für gut befunden. Ich schick sie dir heute noch. Alles Gute und viel Freude am Berg weiterhin!
Gruß Ulli
Francie
4 Aug 2022Danke Ulli! Ich wünsche dir alles Gute auf deiner Tour schon mal vorab! Und auf die Packliste freue ich mich schon – bin gespannt! Danke 🙂