Sonntag.
Höhenmeter im Nebel, Pass im Sturm, Singletrailabfahrt durch Wolkenfetzen, Frühstück mit Eisfüßen und tauben Fingern. Und dann auf einmal Sonne! Vorbei am Lac de Toules stehe ich vor einem (von mehreren) radunfreundlichen Stromzäunen. Das obere Band lässt sich öffnen, das untere – etwa kniehoch – nicht. Beim Versuch mein Rad darüber zu hieven, verfängt sich das untere Stromband im Trinkflaschenhalter. Die Versuche, es mit dem Schuh zu lösen, scheitern. Ich jaule mehrmals auf (warum zum Himmel bekomme ich einen Schlag, wenn ich meine Lenkergriffe anfasse?!?!), dann beiße ich die Zähne zusammen und schaffe es schließlich. Die nächsten Zäune nehme ich seitlich in Angriff… Kurz nach einem solchen Zaun stehen wir in einer turbulenten Herde von Bullen, die über unseren Besuch (der natürlich in einer bocksteilen Schiebeaktion stattfindet) nicht ganz so erfreut sind. Da kommt in mir (kurz) das Gefühl auf, dass ich nicht mehr kann… keine Kraft, Hunger, Durst, keine Nerven für diese aufgebrachten Bullen. Nur Aufgeben ist nicht die beste Option, wenn man von mindestens zwei mal zwanzig Rinderhörnern umzingelt ist. So zünde ich mein Reservetriebwerk. Sind ja eh nur noch 700 Höhenmeter bis zum Großen Sankt Bernard Pass. Ein Klacks ;). Fast genau 48 Stunden später stehen wir diesmal bei bestem Sonnenschein da oben. In drei Minuten ziehe ich trockene (mit Kuhfladen-Dreck verzierte) Klamotten an und begebe mich Stück für Stück zurück in die morgige Alltagswelt. Doch die Welt der BIM-Koordinatoren, Kick-Off-Meetings, Multi-Apps und Sicherheitszuschläge bekommt mich nur halb. Die andere Hälfte bleibt da draußen.
P.S. In der Badewanne höre ich auf die blauen Flecke durchs Radltragen zu zählen. Und den Kuhfladenduft? Den gab’s gratis 😉 .