Bikepacking mit Hund – Wolfs Lair, Abruzzen
Bikepacking mit Hund - Wolfs Lair, Abruzzen

Bikepacking mit Hund – Wolfs Lair, Abruzzen

Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. (Mahatma Gandhi)

The Wolfs Lair um L’Aquila herum ist eine knapp 400 Kilometer lange Bikepacking Tour mit über 8500 Höhenmeter – eine wilde Entdeckungsreise durch 3 Nationalparks und einen Regionalpark in der einsamen und unberührten Gebirgswelt der Abruzzen, Italien. Ein Abenteuer für starke Gemüter – zwischen Sonne, Bären, Berge und Holperpfaden – Bikepacking mit Hund – Wolfs Lair in den Abruzzen.

Infos zur Tour auf bikepacking.com.

Video bitte in HD schauen 😉

Eine halbe Stunde, nachdem ich die Haustür zugeschlossen habe, lasse ich den Regen hinter mir. Südlich des Alpenhauptkammes herrscht Sommer und Sonne. Kurze Zeit später barfuß im warmen Sand, ein Sprung in die Wellen. Mit Meeresrauschen schlafe ich – eingequetscht zwischen zwei Rädern – im Kofferraum ein. Ein Sonnenaufgangsbad und einige Stunden später schwinge ich mich nahe L’Aquila aufs Rad, 35 kg Hund im Hänger hinten drin und rolle die ersten Meter mit einem dicken Grinsen bergab. Saugeil, denke ich mir. Nach einer Weile werfe ich den Riesenbrocken hinten raus und wir kämpfen uns eine Holperpiste empor, die seinesgleichen sucht. So loser Schotter, dass mein Vorderrad wegrutscht und das Hinterrad durchdreht. Was für eine Schnapsidee, denke ich mir. So langsam ahne ich, was ich mir in den nächsten Wochen vorgenommen habe. Eine Reise, die mich alles über Geduld, Nervenstärke und Gelassenheit lehren wird.

Die ersten 300 Höhenmeter geschafft!
Die ersten 300 Höhenmeter geschafft!
Im Nationalpark Gran Sasso
Im Nationalpark Gran Sasso
Verschlafene Dörfer
Verschlafene Dörfer
Gran Sasso in Wolken
Gran Sasso in Wolken
Bikepacking mit Hund - Wolfs Lair, Abruzzen
Bikepacking mit Hund - Wolfs Lair, Abruzzen
Bikepacking deluxe ;)
Bikepacking deluxe 😉

Nachts wache ich fröstelnd auf, der Vollmond scheint grell auf mein vom Tau nasses Innenzelt. Über jedes Fitzelchen Asphalt freue ich mich wie ein Schneekönig, bevor wieder die „very loose gravel parts“ beginnen. Einmal wurden wir beinahe von einer Wanderin überholt. Manchmal frage ich mich, ob allen nicht radelbaren Wegen in der Pampa das Prädikat „Bikepacking“ verpasst wird. Loser Schotter wie Treibsand,  äußerst holprige Pfade, steile felsdurchsetzte Rampen oder im Treib“kies“, wo mich der Hänger von hinten überholt und meine Bremsen es sogar im Schieben nicht halten können. Aber hey, wollte ich nicht dorthin gehen, wohin keiner geht? Dort, wo alle Wege enden…

 Der Gran Sasso – auf italienisch: Großer Stein – ist von Wolken umschlungen. Und dann stehen wir da: Weite Grashügel von bewaldeten Gipfeln gesäumt, aus denen der Fels lugt. Schaf-, Rinder-, Ziegen- und Pferdeherden, von riesigen weißen Herdenschutzhunden bewacht. Sonst Stille. Weite, endlose Stille. Am Abend Katzenwäsche am eisigen Brunnen. Erschöpft krabbeln wir ins Zelt.

Bikepacking mit Hund - Wolfs Lair, Abruzzen
Bikepacking mit Hund - Wolfs Lair, Abruzzen
Nachtlager gefunden ;)
Nachtlager gefunden 😉
Morgenstimmung und wohlverdiente Abfahrt
Morgenstimmung und wohlverdiente Abfahrt
Tiefblicke
Tiefblicke
Kuh am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen ;)
Kuh am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen 😉
Ausblicke
Ausblicke

Die Reifen verschlammt und verstaubt, meine Beine ebenso, falle ich in den nächsten Alimentari ein, entledige mich im Schatten eines Baumes auf der Plaza meiner verschwitzten Radhose und halte Siesta. Den nächsten Pass nutze ich für eine Langzeitstudie. Wo sind meine Grenzen beim Hänger ziehen? (Meine knapp 55 kg ziehen vermutlich 55 kg extra – Hänger+Hund+Gepäck). 1224 hm habe ich Zeit für den San Leonardo Pass. Kurz hoffe ich auf einen liebenswerten Pickup-Fahrer. Doch das einzige was sich hier bewegt, sind Dornenbüschel, die über die Straße wehen. Jep… äh… der wilde Süden eben.

Die Antwort: bis 5% Steigung, danach muss der Riesenbrocken selber laufen wegen akuter Knie-Reiß-Gefahr. Die Fellnase weiß, wenn ich „Taaaxi!“ rufe, ist die Mutti wieder mitziehen dran 😉 . Und bergab? Mein Bremsweg verlängert sich ins Unendliche…

Hundetaxi
Hundetaxi
Endlose Weite, von Bergen umringt
Endlose Weite, von Bergen umringt
Schneller! Und nicht so holpern!
Schneller! Und nicht so holpern!
Sonne satt...
Sonne satt...
Bikepacking mit Hund - Wolfs Lair, Abruzzen
Bikepacking mit Hund - Wolfs Lair, Abruzzen
Herdenschutzhunde
Herdenschutzhunde

Die Abendsonne scheint auf ein kleines Hochplateau auf etwa 1700 Metern. Perfektes Nachtlager, denke ich mir – da werden wir auch schon von fünf Herdenschutzhunden gestellt und flüchten ins Tal. Wenige Minuten zuvor hebt mir ein freundlicher Italiener mein Rad und den Hänger über ein sonst unüberwindbares massives Gatter. There is another one at the end of the road. Do you think, you are able to do this alone? Viermal fragt er mich das. Yes, I can do it (was hab ich sonst für eine Wahl). Er erzählt noch etwas mehr, aber mein erschöpftes Hirn kann nicht mehr so viel fassen. Welchen Weg sollte ich nicht nehmen? Links oder rechts? Und was will er immer mit Bier? Da fällt der Groschen – kein Bier, two bears, zwei Bären up there! It’s too far to the next village… macht er sich Sorgen. No worries, I sleep outside. Da werden nur die Augen groß und er wünscht mir good luck. Man möge die armen Irren ihrem Schicksal überlassen. 

Nachdem ich mich in den Schlafsack gekuschelt habe, das Zelt inmitten der Schafs- und Ziegenkacke,  lausche ich den Geräuschen der Nacht. Ich kenne vieles… aber das… ein Brummen, ein Röhren, von zwei Tieren. Meine two bears! Als sich das Brummen nähert, überkommt mich schon eine kleine Gänsehaut. Normalerweise greifen Bären nur an, wenn sie hungrig sind oder sich bedroht fühlen. Ich versuche sehr friedlich zu schlafen 😉 Immer wenn ich aufwache und auch noch weit in den Morgen hinein, höre ich sie – wenige hundert Meter entfernt.

Nacht unter Bären
Nacht unter Bären
Von Felsen umrandet
Von Felsen umrandet
Malerische Dörfchen - Hunger!
Malerische Dörfchen - Hunger!
Ein typischer Alimentari
Ein typischer Alimentari

Am Passo Godi erwischt mich der erste Herbststurm. Treibt mir gelbe Blätter ins Gesicht, als wöllte er mir sagen: Schau, das Leben ist Veränderung. Es ist Abschied und Neubeginn. Was wäre denn, wenn sich nichts und niemand ändern würde? Nur so können wir wachsen. 

Trotz Daunenjacke fröstele ich in der Abfahrt. Vielleicht liegt es daran, weil ich in den letzten 24 Stunden nur ein paar Scheiben trockenen Vollkorntoast und Wasser aus der Ziegentränke gegessen bzw. getrunken habe. Ausgehungert in den Alimentari – und dann erstmal ein Verdauungsschläfchen. Bei zähen Anstiegen nasche ich sonnenwarme Brombeeren, süße Feigen oder Pfirsiche vom Wegesrand.

Neben der Passstraße zweigt ein kleiner Weg ab, der nach wenigen Metern in einem überwucherten Pfad endet. Nach wenigen Augenblicken baue ich das Zelt wieder ab, da es mir der Sturm sonst davon reißen würde. Also Isomatte, Schlafsack und Zeltunterlage als Wind- und Tauschutz -jep, die mit Schafskacke 😉 .

Der Wind braust auf, die letzten Sonnenstrahlen kitzeln meine Nase, Kapuze der Daunenjacke über den Kopf, einen Topf Ingwer-Zimt-Tee im Schoß. Noch etwa 120 km… bis… ja wohin? Zurück zum Auto? Ende des GPS-Tracks? Es zählen nicht die Quälmomente, sondern das hier. Im Sturm als stiller Beobachter des Sonnenuntergangs. Wann hat man im Alltag die Zeit dabei zuzusehen, wie sich eine Wolke auflöst?

Sonnenuntergang überm Tal
Sonnenuntergang überm Tal
Holper, holper
Holper, holper
Sturmnacht mitsamt Regen
Sturmnacht mitsamt Regen
Treuer Gefährte
Treuer Gefährte

Natürlich fällt genau in dieser Nacht der einzige Regen. Also schnell wieder Zelt aufgebaut, beide Apsiden aufgerollt, sodass der Wind hindurchfegen konnte. Dementsprechend müde treten und rollen wir die letzten Kilometer zurück nach L’Aquila. Nach 6 Tage stehe ich wieder dort, wo ich angefangen habe. Mein Kopf, mein Herz voll mit neuen Eindrücken, meine Haut mit unzähligen Schmutz- und Salzschichten bedeckt.

Während ich diese Zeilen schreibe, liege ich mit Fellnase im Schatten – wir blicken aufs Meer. Vorhin zog ich mir meine Schnorchelmaske und Flossen an, tauchte unter in die Unterwasserwelt der Cinque Terre – und war Hals über Kopf verliebt. In die unzähligen bunten, schillernden, gestreiften Fischschwärme, die Seeigel, die hauchzarten Quallen… Was ich die nächsten Tage tue? Die Stille unter Wasser genießen und noch hinter die nächsten Felsen tauchen. 

Der wilde Süden
Der wilde Süden
Gegenverkehr!
Gegenverkehr!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Hallo Francie,
    haben uns alles angeschaut. Natürlich wieder ne enorme Strapaze, sehr schöne Schnappschüsse.
    Karge aber schöne Landschaft, Stress pur.
    Man muss sich wundern, dass bei dem „Geruckel“ Hänger u.a. Material durchhält.
    Du hast es geschafft!

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