Trekking mit Hund: Karnischer Höhenweg – Via della Pace
Trekking mit Hund auf dem Karnischen Höhenweg

Trekking mit Hund: Karnischer Höhenweg – Via della Pace

Man kann die eigenen Grenzen nur feststellen, indem man sie gelegentlich überschreitet. Das gilt für jene, die man sich selbst setzt, ebenso wie für jene, die einem andere setzen. (Josef Broukal)

Der Karnische Höhenweg, auch Friedensweg bzw. Via della Pace genannt, führt von Thörl-Maglern bei Arnoldstein bis Sillian und folgt dem Kamm der Karnischen Alpen entlang der Grenze zwischen Österreich und Italien. Wilde Pfade, einsame Höhen – ein unvergleichliches Bergerlebnis auf etwa 170 km Länge. Ein Tourenbericht zum Trekking mit Hund auf dem Karnischen Höhenweg (KHW 403), selbstversorgend mit Zelt, da im Mai noch die meisten Hütten und Almen geschlossen haben.

Laufgurt und Bungee-Leine sind auch beim Hundetrekking sinnvoll
Laufgurt und Bungee-Leine sind auch beim Hundetrekking sinnvoll

Tagebucheintrag, Samstag 21. Mai 2022

EIN KAMEL IN DER SAUNA

Ein Kranz von Schweißperlen hängt an meinem Kinn. Ein dicker Tropfen an meiner Nasenspitze. Im Rucksack machen sich Lebensmittel für 9 Tage bzw. 170 km Karnischer Höhenweg breit und schwer, arg weit über meinem Wohlfühlgewicht beim Trekking. Selbstversorgend, die meisten Hütten und Almen haben noch geschlossen begeben wir uns – willentlich mit einem starken Drang zum Masochismus – auf diesen grandios einsamen Weg, auch Friedensweg genannt.

Die Sonne brennt wie im Juli, derweil ist es Mai. Ich keuche und ächze einen Schritt vor den anderen. Fellnase keucht und legt sich in den Schatten. Ähh, kein Problem Herr Hund, liebend gern trage ich on top noch den Hunderucksack. Noch mehr keuchend und wankend nähere ich mich der nächsten Wasserquelle – so früh im Jahr gibt es diese Gott sei Dank regelmäßig. Wie Kamele in der Oase trinken wir soviel wie geht und füllen unsere Höcker auf für die nächste Durststrecke bergauf.

Abends nagen wir wohlüberlegt am rationierten Essen. Mittlerweile bei Sturm und Nebel an einem Bergsee. Die lieblichen Almen liegen hinter uns, vor uns alpines Gelände.

Zelten auf dem Karnischen Höhenweg
Zelten auf dem Karnischen Höhenweg

Trekking mit Hund auf dem Karnischen Höhenweg Ende Mai – d.h. Essen für bis zu 9 Tage mit sich schleppen… Monsterrucksack, schmerzende Schultern und Muskelkater lässt grüßen. Doch warum im Mai? Zum einen die beabsichtigte Einsamkeit – wir waren laut den unberührten Schneefeldern die ersten, die den Weg liefen dieses Jahr. Zum anderen – es ist sehr trocken. Durch Regen, Schneeschmelze und kühlere Temperaturen hatten wir zumindest mehr oder weniger regelmäßige Wasserquellen. Zu Beginn laufe ich teilweise auf den selben Pfaden wie bei meiner Alpenüberquerung Salzburg-Triest… Ich freue mich immer wie Bolle, wenn ich frühere Touren kreuze – (was regelmäßig der Fall ist 😉 ).

Nebel und Sturm
Nebel und Sturm

Tagebucheintrag, Sonntag, 22. Mai 2022

BLAUE FLECKEN

Die ersten Schritte nach einer Pause oder am Morgen sind pure Qual. Die Oberschenkel brennen, schmerzen sogar schon, wenn man sich nur mit den Händen abstützt. Die Fußsohle fühlt sich an wie eine einzige Blase. In die Schultern schneiden die Träger des Monsterrucksacks ein. Dort, wo der Rucksack auf den Hüften aufsitzt, habe ich geschwollene blaue Flecken bekommen – vorn am Beckenknochen und hinten am Po. Die ersten Schritte… und dann ruckelt sich alles irgendwie ein. Nach ein paar geächzten Metern wird alles normal. Passt, wackelt, tut weh. Ist halt so. Tag 2 von 8 geplanten Lauftagen. Und jeder Tag, der vergeht, erleichtert den Rucksack um mindestens 500 g. Noch 3 Tage, dann hat der Rucksack endlich das sonst übliche Maximalgewicht erreicht.

Via della Pace mit Hund
Via della Pace mit Hund

Tagebucheintrag, Dienstag, 24. Mai 2022

MONSTERTAG

Herrje, was für ein Tag. Im Nebel am Zollner See gestartet, bergab, bergan, ein Trampelpfad, der die Bergflanke quert. Müsli-Frühstück mit Regenjacke frierend mitten auf dem Pfad hockend. Nebelschwaden, Wind, der uns hinauf zum Köderkopf treibt. Und hinunter, wieder langer Pfad in der Höhe zur Oberen Spielbodenalm. Abstieg zum Plöckenpass, kurzer Wettercheck – morgen heftige Unwetter mit starken Regenfällen? Oh… ich frage meine Füße (Antwort: wir bleiben im Tal und machen Ruhetag), ich frage Kopf und Herz (Antwort: wir gehen zur Wolayer Seehütte und versuchen dort oder danach im Abstieg ein wetterschütztes Plätzchen zu finden, um morgen das Mistwetter auszusitzen).

Die Entscheidung steht und wir stampfen kurz danach steil bergan über große Altschneefelder nahezu im Whiteout. Am Wolayer See erwartet uns ein gigantischer Sturm, sodass wir notgedrungen noch mehr ins folgende Tal Richtung Alm absteigen müssen.

Wir sind heute knappe 30 km, dazu über 2000 Höhenmeter hoch und runter gelaufen. Und das alles mit 150 g Müsli, einer Handvoll Nüsse und einer Tüte Spargelcremsuppe… vielleicht sollte ich Fastenwandern oder Erlebnisdiäten anbieten –  Friss die Hälfte aber verbrenne 5000 Kalorien am Tag 😉 

Ruhetag bei Mistwetter
Ruhetag bei Mistwetter

Tagebucheintrag, Mittwoch, 25. Mai 2022

RUHETAG IM STURM

Heftiger Regen prasselt aufs Zelt. Grelle Blitze wie hartes Neonlicht, Sturmböen fegen aus allen Richtungen. Ich hocke (mal wieder) mitten in der Nacht aufrecht im Zelt, presse mit ausgestreckten Armen gegen die Seitenwände. Alles ruckelt und bebt. Auf einmal habe ich – in der Zeltmitte sitzen – die vordere Wand im Gesicht. Was zur Hölle?, denke ich mir und presse nun auch meinen Kopf gegen die Frontwand des Zeltes. Windattacke von hinten – Fellnase dein Einsatz! Aber Herr Hund schlummert friedlich, während Frauchen darum kämpft, nicht mit dem Zelt davonzufliegen.

Als der Regen aufhört, krieche ich raus, um die Abspannleinen nachzuziehen. Im Dunkeln und im Kampf mit dem Sturm habe ich nicht bemerkt, wie sich eine Apside gelöst hat. Ergebnis: Hunderucksack klitschenass, in meinen Schuhen steht das Wasser. Mein Zelt sieht zudem seltsam verzerrt aus und ist etwa einen halben Meter weiter nach hinten gerückt. Emotionslos ziehe ich die Leinen straff, sammele die vom Wind verstreuten Heringe ein, kippe das Wasser aus den Schuhen und schiebe Fellnase meine Einlegesohlen zum Trocknen unters Bauchl. Mmh, könnte schlimmer sein. 😉

Karnischer Höhenweg im Mai mit Hund
Karnischer Höhenweg im Mai mit Hund

Nachdem wir uns die ersten zwei Tage bei Hochsommertemperaturen mit bockschweren Rucksack die Berge hochgeschleppt haben, haben wir nun das Gegenteil: Sturm, Nebel, Regen. Aus den Schuhen quatschert das Wasser bei jedem Schritt (habe ich schon von meinen wasserdichten Socken geschwärmt? 😉 ), wir gehen ohne große Pausen, um im Sturm nicht auszukühlen. Herr Hund freut sich wohl am meisten über die kühlen Temperaturen und das Wasser überall. Die Stimmung sinkt, je dichter der Nebel und je nässer die Füße werden… schon früh kriechen wir ins Zelt. Ich frage mich, was ich hier eigentlich tue… 9 Tage Lebensmittel und Ausrüstung im Whiteout über die Berge schleppen, einen anderen Menschen zu treffen auf den Pfaden, gleicht einem Wunder. Sonst sind wir allein… im Nebel… mit den Höhenmetern… mit Hunger… und unseren Gedanken.

Endlich Sonne!
Endlich Sonne!

Tagebucheintrag, Freitag, 27. Mai 2022

JIPPIE YEAH!

Heute vier Uhr früh. Ich krabbele aus dem Zelt und sehe die Sterne. Die Sterne!!! Ahh, das heißt – endlich kein Nebel mehr! Ich rufe ins Nachbarzelt: Juhu, wir können los!

Bergan, mit Sonne im Gesicht, die Trübsal aufgelöst, wie die Sonne die Wolken. Immer oben am Grat entlang, mit Blick ins Tal und zu den Sextnern Dolomiten. Ich komme aus dem Freuen und Stauen nicht mehr raus. Bunte Blumen säumen unsere Pfade. Murmeltiere pfeifen, wenn sie uns sehen. Wir übernachten an einem Bergsee, umrahmt von hohen Felswänden. 

Ausblicke beim Trekking auf dem Friedensweg
Ausblicke beim Trekking auf dem Friedensweg

Der Rucksack erscheint uns mittlerweile als Fliegengewicht, Fellnase trägt nur noch unsere Mülltüten. Und wir schweben dahin… nahezu täglich laufen wir 10 Stunden, etwa 25 km und mindestens 1500 Höhenmeter. Überwiegend im Funkloch suchen wir jeden Brösel Handyempfang um das Wetter im Blick zu behalten. Sonntag ist Schneesturm gemeldet… Okay, also Beine in die Hand und einfach weiter laufen.

Auf dem Weg zur Großen Kinigat mit Hund
Auf dem Weg zur Großen Kinigat mit Hund

Wenn die Morgensonne die Gräser orange leuchten lässt, die Luft noch rein und frisch, der Tau glitzert am Weg… dann sind wir schon unterwegs, schlängeln uns Pfade und steinige Schotterhänge hinauf. Große Kinigat, 2689 m, Klettersteig 30 min steht an einem Schild. Mmh…

Es ist am Morgen halb acht, der Himmel noch blau. In der Ferne türmen sich Wolkenberge aufeinander. Über einen leichten Klettersteig kraxeln wir in Windeseile empor, die Rucksäcke warten am Wandfuß auf unsere Rückkehr. Das letzte Mal war ich im Nebel zum Trailrunning hier – den Gipfel habe ich ausgespart wegen Nässe und schlechter Sicht – deswegen nun ein doppelter Genuss hier oben zu stehen. Mit knurrendem Magen.

Große Kinigat mit Hund
Große Kinigat mit Hund

Es ist Sonntag, ich sitze in der Bar eines spartanische Zeltplatzes. Absoluter Luxus (warmes Wasser, ein Dach übern Kopf! … und quasselnde Italiener um mich herum 😉 ). Gestern schleppten wir uns 1500 Höhenmeter hoch und 2500 Höhenmeter runter, fielen in den Supermarkt in Sillian ein… Bei Mango, Tomaten, Brot und Käse blicke ich in die untergehende Sonne. Und bin stolz. Unfassbar stolz und glücklich. Auf die Strapazen. Auf die Erlebnisse. Auf die Bilder im Kopf, die blauen Flecken und Löcher im Rucksack, die mich hoffentlich für immer an dieses einmalige Abenteuer erinnern werden.

Trekking mit Hund auf dem Karnischen Höhenweg im Mai – um einige Kilogramm leichter kommen wir zurück ins Tal, nach 7 Lauftagen und einem Ruhetag. Prall gefüllt mit wunderschönen und anstrengenden Augenblicken

Karnischer Höhenweg mit Hund
Karnischer Höhenweg mit Hund

Karnischer Höhenweg - Trekking mit Hund // Herausforderungen

  • von Thörl-Maglern bis zum Plöckenpass sanftes Almengelände,  ab da bis Sillian alpin, teilweise mit Drahtseilen gesichert, leichte Kraxelstellen
  • konditionell sehr anspruchsvoll – lange Etappen, viele Höhenmeter
  • in den Sommermonaten sehr trocken, besonders im alpinen Teil. Wasser nur an den Hütten!
  • selbstversorgend ist nur für Menschen mit Drang zum Masochismus möglich
  • auf der gesamten Länge begegnet man zweimal kurz den Auswüchsen menschlicher Zivilisation: Nassfeld- und Plöckenpass. Sonst traumhafte Berglandschaft hoch oben.

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