Trekking: Weihnachten auf dem GR 221 in Mallorca
Allein auf Traumpfaden in der Serra de Tramuntana

Trekking: Weihnachten auf dem GR 221 in Mallorca

Lang, lang ist es her… diese erste Trekkingtour habe ich kurze Zeit gemacht, nachdem ich von meiner Radreise nach Marokko zurückgekehrt bin. Noch ungestüm und ungebremst in meinem Entdeckungsdrang buchte ich meinen Flug und packte den (viel zu großen) Rucksack mit Zelt, Kocher und hundert anderen Dingen.

Der GR 221 ist ein Fernwanderweg über 150 km durch die Serra de Tramuntana auf Mallorca und wird auch Route der Trockensteinmauern genannt. Ich hatte großes Glück – über Couchsurfing fand ich eine Unterkunft in Palma, sowie auch Transport zum Ausgangspunkt in Port d’Andratx. Zudem wollte mich der Niko, der Sohn meiner Couchsurfingbekanntschaft auch noch die ersten Tage begleiten. Das klang doch schon mal nach einem vielversprechenden Start. 🙂

Einsamkeit in den Bergen Mallorcas
Einsamkeit in den Bergen Mallorcas

Ende Dezember und angenehme Wandertemperaturen auf Mallorca. Tagsüber konnte man oftmals im T-Shirt laufen. Ich war begeistert von dem Weg gleich zu Beginn, besonders von der Orangenverpflegung am Wegesrand 😉

Tagebucheintrag von Sonntag, 22.12.2013 mittags:

Es ist unbeschreiblich! Traumhaft! Wir sind auf einer verlassenen Finca mit Orangen-, Mandarinen- und Zitronenbäumen! Man blickt auf das Meer, die Berge – schroffe Felswände hinter uns… unglaublich schön.Die Finca ist riesig mit Tierställen, Haupthaus, Wasserbecken. Und grünen Fensterläden. Ich befürchte zwar, dass ich mehr als 3 kg Orangen gegessen habe, aber es ist so wundervoll!…

 

Abendstimmung an einer verlassenen Finca: Berge hinter mir, Meer vor mir
Abendstimmung an einer verlassenen Finca: Berge hinter mir, Meer vor mir

Ab dem 23.12. wanderte ich allein weiter, Niko wurde von seinem Vater in Esporles abgeholt.

Tagebucheintrag von Montag, 23.12.13, Schneehäuser irgendwo zwischen Esporles und Valldemossa:

Ich machte Rast auf dem Spielplatz. dann zog ich mit vollem Magen und leicht schwerem Herzen weiter Richtung Valldemossa. Steile Gassen und Wege hinauf, bis ein handgeschriebenes Schild verkündete: „Path to Valldemossa closed, but possible to walk. Follow the red dots.“ Leichter gesagt als getan. Ich reif und flehte um Steinmännchen. Einmal musste ich einen Hang aus Felsplatten hinaufklettern und mich durch Stacheldraht mogeln. Meine Füße schmerzten und ich hatte keinen blassen Schimmer wo ich war. Aufgrund eines Steinmännchens bog ich ab und nach einer Weile erblickte ich die – hoffentlich! – Schneehäuser, halbzylindrische gemauerte Eiskeller, jetzt mein Nachtlager. Es wird zu dunkel zum schreiben. Ab jetzt auf mich allein gestellt.

Hoch oben in der Serra de Tramuntana - das Meer zu Füßen
Hoch oben in der Serra de Tramuntana - das Meer zu Füßen

Der Heiligabend begann mit im Kreislaufen, sodass ich nach einer Stunde wieder an meinem Nachtlager war. Endlich erreichte ich Valldemossa und erhielt sogleich noch die aufbauende Nachricht von zwei Wanderern, dass es morgen sehr stark regnen soll. Na wunderbar. Wieder hinauf in die Berge, die Wegmarkierung war unzureichend und ich stolperte bei Nebel und Sturmböen hoch oben einen Gratweg entlang, schräg laufend um nicht davon geweht zu werden. Durch hohe Gräser und verwunschene, knotige Bäume wanderte ich unendlich lang nach Deia, aber ich fand einfach keinen geeigneten Zeltplatz. Erschöpft hockte ich mich unter ein undichtes Bambusdach in einer Straßenkurve vor Deia und lauschte den Kirchturmglocken.

Tagebucheintrag, 24.12.13, kurz nach 19 Uhr, Veranda oberhalb der Straße, Deia

Motorengeräusche, Scheinwerfer, Rücklicht, Bremsen, Türen klappen: „Bon dia! Feliz Navidad!“ Zwei Deutsche auf dem Weg zum Gottesdienst. Was tue ich hier? Ich sagte wegen Regen und Bambusdach. Sie sagten, Veranda oberhalb. Schnell Sachen hochgetragen, Nummern getauscht. Nun sitze ich allein, mit Tee, Propolis Honig, Tiramisu und süßem Gebäck im Magen im Kerzenschein. Die Kirche wird wundervoll angestrahlt. Vor mir im Dunkeln erstreckt sich das Meer irgendwo. Es wird frisch. Schnell in den Schlafsack auf die Couch.

Weihnachtsabend: Veranda anstatt Straßengraben
Weihnachtsabend: Veranda anstatt Straßengraben

Ich verließ Deia in den frühen Morgenstunden und lief Richtung Soller, dort prasselte der Regen nur so auf die Straßen. Ein Brite versicherte mir glaubhaft für morgen gutes Wetter und dass es bald nachlassen wird, als ich das Heftigste in einem Hauseingang abgewartet habe. Okay, fast hätte ich ein Hotel genommen, aber wenn es morgen wieder besser wird und demnächst aufhören soll… So stiefelte ich entschlossen zum Cuber-Stausee. Meine Osmand-Navigationsapp zeigte mir sogar eine Schutzhütte unterwegs an. Na dann nichts wie hin und mich vor den wütenden Elementen verstecken! Ich war komplett nass als ich an dem Abzweig zum Refugi dels Cornadors gelangte. Mein Navi sagte noch 1,5 Kilometer. Nach dem Abzweig wartete eine reißende Bachquerung auf mich – ohne Brücke. Bis zu den Knien sank ich ein. Ich hetzte den Berg hoch, zitterte und zählte die Schritte, noch 500 Meter. Vorbei an verblüfft schauenden Schafen ging es steil bergauf. Dann sah ich die Hütte: Grenzenlose Freude verwandelte sich in Entsetzen. Eine Schutzhütte hatte ich mir anders vorgestellt… sie hatte kein Dach mehr…

Ich verfluchte mich und meine Fehlentscheidungen, aber es war schon später Nachmittag und ich wollte mich nur noch umziehen und ins Zelt kriechen, welches ich windgeschützt in Hüttennähe aufgebaut hatte. Es regnete, aber der Wind ruhte. Wie benommen, vor Nässe und Kälte zitternd, sagte ich mir: „Hose. Hose anziehen. Essen. Essen ist gut.“ Oh, warum habe ich dem Briten nur die Wetterbesserung abgekauft! Ich könnte jetzt in einem warmen Hotelbett liegen… Ich krümmte mich im Schlafsack um mich aufzuwärmen. Kurze Zeit war ich froh – dann kam das Gewitter. Und mit dem Gewitter der Sturm. Ich machte mir ernsthaft Gedanken, was schlimmer/ wahrscheinlicher wäre: Vom Blitz oder vom Balken erschlagen zu werden. Irgendwann hatte ich die bescheuerte Idee mein Zelt woanders aufzuschlagen – ich kam jedoch nicht weit. Ich kämpfte unter sternenklarem Himmel mit der Plane und rollte Steine heran. Hoffnungslos. Der Sturm hob das Zelt oftmals bis zur Hälfte hin an – mit mir drin! Ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Es war kein Balken – sondern ein Dachziegel. Ein Geräusch, ein Schaben. Etwas traf mich im Gesicht. Ich machte mich so klein wie möglich und schützte meinen Kopf mit den Armen. Völlig erschöpft musste ich wohl für einige Minuten eingenickt sein. Meine Hände waren verkrampft, da ich mich in das Außenzelt krallte, um es nicht wie wild herumschlagen zu lassen. Ich wusste, dass ich vom Berg herunter musste. Ein orangefarbener Schein schimmerte an der Steinwand. Sonne. Ich raffte mich auf und packte meine Sachen, stopfte sie irgendwie in meinen nassen Rucksack und hastete tiefer. Bedächtig schritt ich Richtung Cuber-Stausee. Wanderer und Mountainbiker kamen mir entgegen, die Sonne schien, es war bestes Wetter. Ich glaube, ich kam aus einer anderen Galaxie… Am Parkplatz fragte ich eine Wandergruppe, ob sie mich mit nach Palma nehmen könne. Das heißt ich fragte: „Palma?“ Meine Wange war geschwollen und bereitete mir Schmerzen beim Reden und Essen. Mein Rucksack wurde eingeladen, ich ließ mich in die Polster sinken. Die CD spielte „love me tender“ und „tears in heaven“.

Krankenurlaub auf Mallorca
Krankenurlaub auf Mallorca

Niko und sein Vater sammelten mich in Palma auf, ich duschte und dann stattete ich dem Krankenhaus einen Besuch ab (ich erinnerte mich noch gut an das Krankenhaus in Marrakesh…). Glück gehabt, nur eine Prellung. Die nächsten Tage bis zum Abflug verbrachte ich mit Steine und Muscheln sammeln am Strand und kleineren Tagesausflügen.

Jetzt, wenn ich diese Zeilen schreibe, bin ich froh, dass mittlerweile EU-Roaming angeboten wird: So hätte ich mir einfach selber ein Bild vom Wetterbericht machen können und dementsprechend das Hotelbett vorgezogen. Tja, meine erste Trekkingtour hatte bleibenden Eindruck hinterlassen und mir wichtige Erfahrungen beschert. Vielen Dank an meine Schutzengel, ich werde mich bessern!

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