September 2014: 3 Wochen Balkan Radreise durch 12 Länder: Tschechien, Österreich, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Kroatien, Bosnien – Herzegowina, Montenegro, Serbien, Kosovo, Mazedonien, Bulgarien. Die erste größere Radreise allein. Ein kurzer Tourenbericht.
In Prag gestartet, radle ich über Böhmisch Kanada auf den Eurovelo 13 nach Österreich, weiter in die Slowakei, Slowenien und Ungarn. Nach einer Woche war ich in Kroatien angelangt (Melonen!!!), dort verließ ich den Eurovelo 13. Die Tour, die ich zuhause geplant hatte, war für 6 Wochen ausgelegt. Aber wie so oft: Planung und Wirklichkeit ist etwas anders. Das Gute am Alleinreisen ist auch die Entscheidungsfreiheit. In Kroatien stand ich an einer Kreuzung: Eigentlich müsste ich nach Westen abbiegen laut meiner Route, aber irgendetwas in mir widersetzte sich dem zutiefst… ich bog in die entgegengesetzte Richtung ab, die kroatischen Grenzer wünschten mir „Much luck“, bevor ich die Grenze zu Bosnien überquerte. Das konnte ich gut gebrauchen… nun dank meines Bauchgefühls etwas planlos unterwegs.
Am Tag radle ich oftmals trotz der Steigungen und der Hitze über 100 Kilometer. Ich fliege so dahin, orientiere mich grob an Straßenschildern und Himmelsrichtungen. Frei und ohne Zwänge, ohne Muss und Zeitdruck lasse ich die geradelten Kilometer hinter mir, immer dahin, wohin ich will. Oftmals trieb mich mein sportlicher Ehrgeiz zu Höchstleistungen, aber nunja, ich radle einfach gern ;).
Tagebucheintrag: „Ich bin fertig. Selbst im Zelt schwitze ich noch wie Sau. Mein Atem strömt heiß aus Nase und Mund. Ich merke, dass ich es heute etwas übertrieben habe. Zum Glück gab mir eine nette Familie Wasser und einen Maiskolben. Ich hatte nur noch einen Schluck Wasser und war vollkommen am Ende. Die Beine schwer, Krampf in den Händen und der Schweiß rinnt in Strömen. Ich glaube, ich bin jetzt zu erschöpft, um noch etwas zu schreiben. Ich würde mich so gern waschen… Bin vollkommen von Mücken zerstochen. 119km 7h 35min“
Nach einer (mal wieder) fürchterlichen Gewitternacht fand ich Unterschlupf bei einer bosnischen Familie. Und seitdem regnete es gefühlt sei Tagen ununterbrochen… ausgesetzte Hundewelpen auf nassen Straßen, die mir fiepend hinterherliefen, machten mein Herz noch schwerer. Die steilen Anstiege taten das Übrige. Da ich nun vollends von meiner geplanten Route abgewichen war, gab es nun die nächste Stufe. In Bosnien nahm mich ein LKW-Fahrer bis nach Montenegro mit – ich war froh unendlich viele Kilometer Landschaft zu erleben ohne mich dafür im Regen abquälen zu müssen. Und dann saß ich in Rozaje. Von dort in den Kosovo. Die Soldaten an der Grenze fragten mich, ob ich mich auch gut über den Kosovo informiert habe… mmh… naja… ich bin ja eher durch Zufall hier gelandet und habe keinerlei Ahnung. Das sagte ich natürlich nicht, sondern nickte nur unsicher. Ob ich noch Fragen habe? Darf man hier wildzelten? Fassungslose Blicke, dann ein Ja. Gut, das reicht mir. Adieu und ab ins Land vorbei an Panzern, bewaffneten Soldaten und UN-Sicherheitskräften, welche mir jubelnd zuwinkten.
In Mitrovica verbrachte ich einige Tage bei einer Familie, die mich freundlicherweise aufgenommen hat, nachdem ich aufgrund einer Gewitterwolke (ich habe aus Erfahrung gelernt) nach einem Dach über den Kopf gefragt habe. Ich wanderte mit dem Sohn, ließ mir die Stadt zeigen und aß sehr viel. Ebenso verbrachte ich viel Zeit in der Badewanne. Doch auch ich musste und wollte irgendwann weiter… alle standen sie traurig im Tor und ich rollte erneut schweren Herzens von dannen…Die Nacht verbrachte ich in einem leerstehenden Haus – schlaftrunken wischte ich mitten in der Nacht eine Ratte aus meinem Schlafsack. Erst am Morgen realisierte ich anhand der angenagten Kekse, was das in der Nacht war…
Unterwegs wurde ich zum Tee eingeladen, fand in einem Supermarkt Schutz vor dem strömenden Regen und war automatisch die Sensation der Einwohner. Auch die Grenzpolizei fand ihren Weg zu mir und erklärte mir, dass ich nicht den gedachten Grenzübergang nach Mazedonien nützen könnte, da der nur für Einheimische ist und ich 200 Kilometer!!! Umweg fahren müsse!!! Tja, da saß ich nun betröppelt da. Als die Grenzpolizisten weg waren, hörte ich nur von den Einheimischen im Supermarkt Go, Go!, schwang mich aufs Rad und los ging´s. Nach paar Metern genau in die Arme der Polizisten hinein in der verbotenen Richtung unterwegs – sie taten so als hätten sie mich nicht bemerkt. Danke! Der Weg nach Mazedonien war bald zu einem schlammigen holprigen Pfad geworden, der mir einiges abverlangte. An dem ersten Abend in Mazedonien wurde ich krank. Fieber, Erbrechen, Durchfall.
Ich schleppte mich am nächsten Tag weiter, nur um anderswo zwei Tage im Zelt dahinzuvegetieren. Am dritten Tag versuchte ich zu trampen, kein Erfolg, fragte einem Mann an der Straße nach Hilfe: Sofia hospital! und zeigte die Straße entlang – es waren noch 140 Kilometer bis Sofia. Ich war so entkräftet, dass ich nur noch schieben konnte – bis nach Griechenland über die Grenze. Dann rollte ich bergab nach Kjustendil, aß in einem Supermarkt und es ging mir besser. Trotzdem… ich nahm den Zug zurück nach Prag. Drei Wochen Radreise durch den Balkan und 1840 Kilometer fanden ihr Ende.
„Es ist nun 10 vor 5 Uhr und ich sitze immer noch im Zug der Russian Railways. Die Sonne scheint und mein Kopf schmerzt. Ich versuche nachzusinnen über die 3 Wochen. Soviel ist passiert, Schreckliches und Schönes, Radreise, Trucktour und Zugfahrt durch den Balkan – alles in einem. Habe das Gefühl nicht 3 Wochen, sondern 3 Monate unterwegs gewesen zu sein. Jetzt bereue ich es etwas nach Deutschland zurückzukehren. Wäre es nicht wirklich noch etwas gegangen? Wie man es macht, ist es verkehrt. Oder richtig. Je nachdem.“
Nur wenige Tage zuhause und schon zog ich wieder los. Diesmal gen Norden über Dänemark nach Schweden. Siehe dazu… Beitrag folgt.
Weitere Reise durch Südosteuropa mit dem Rad: hier.
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