Das Leben ist wie Radfahren. Um die Balance zu halten, musst du in Bewegung bleiben. (Albert Einstein)
Bei suboptimalen Temperatur- und Windradelbedingungen steigen wir auf die Gravelbikes und radeln gen Norden, um einen Hauch Meer zu erhaschen. Kleiner Tourenbericht zum Gegenwind-Radeln: Bikepacking an die Ostsee. Der erste Teil führte uns entlang der offiziellen Bikepacking Transgermany Route (Baselona)… das ruft nach Vollendung! 😉
Noch etwas müde öffne ich die Augen und luge aus dem Autofenster. Eine graue, kalte Suppe frühmorgens. „Aufstehen!“, rufe ich und damit wälze ich mich aus dem Schlafsack. Nach einer Weile sind die Räder zum Bikepacking startklar und wir lassen das Auto nördlich von Berlin zurück. „Warum können wir nicht wie normale Menschen ausschlafen und brunchen?“, meine Frage kommt leicht bibbernd. Tja, lieber nicht normal und bei 1°C Finger und Zehen abfrieren für 430 km bis zum Meer und zurück.
Nach 100 km Radeln und Schieben entlang sandiger Heidelandschaften, über Stock und Stein, diversen Bachquerungen und Kraxelei über umgestürzte Bäume erreichen wir bei starkem Wind unser Nachtlager.
„Keiner verlässt das Zelt!“, tönt es aus dem Schlafsack neben mir, besser gesagt, aus der etwa ein-Cent-großen Atemöffnung in der Schlafsackkapuze. Über unseren Köpfen ein vielstimmiges Konzert, Zwitschern, Trällern, Singen, Krächzen, Klopfen, Flügelschlagen. Während wir versuchen keine Wärme aus dem Schlafsack entweichen zu lassen, spielen wir gedanklich Schnick-Schnack-Schnuck… wer als Erstes das Zelt verlässt und in die frostige Außenwelt hinaussteigt.
Nackt (nunja, nur mit Mütze 😉 ), stehe ich in den eisigen Fluten der Ostsee und wage mich ein paar Meter hinein. Zu flach ist es hier zum Schwimmen und so gebe ich mich geschlagen und wate wieder hinaus. Wenige später stehe ich im feinen Sand, das beständige Dröhnen des Gegenwindes, der heute 8 Stunden in unveränderlicher Stärke blies, ist der donnernden Meeresbrandung gewichen. Tausende und abertausende Sterne funkeln über mir in endloser schwarzer Weite.
Am Morgen wecken uns die ersten Sonnenstrahlen und das Gekreische der Lachmöwen, die auf den Wellen treiben. Entlang der Küste radeln wir noch Osten, ehe wir wieder ins Landesinnere abbiegen. Gestern stürmte es aus Norden kommend, so hofften wir nun auf etwas Rückenwind…aber Pustekuchen! Nordsüdostwest-Sturm! Kräftezehrend treten wir in die Pedalen, pendeln jede Böe aus, werden von Holperwegen durchgeschüttelt. Am Ende des Tages fallen die Augen zu…jedoch…die Wettervorhersage für morgen…
Erschöpft liegen wir im Zelt und sehen aufs Regenradar. Morgen von 8-18 Uhr Sintflut, Schneeregen, achja und natürlich Gegenwind, pardon, -sturm. Okay, normale Menschen nehmen unter Umständen jetzt eventuell den Zug. Wir stellen den Wecker und radeln nachts kurz nach vier los. Nichts mit Sonnenaufgang, alles grau in grau und garstigster Sturm bei knapp 1°C. Doch die Kilometer schmelzen und nur die letzten zwei Stunden müssen wir im Regen fahren, bevor wir Punkt zehn Uhr das rettende Auto erreichen. Geschafft! Hundemüde, hungrig, nass und stinkend geht es gen Heimat zu Pasta und warmer Dusche. Ein kleines, verrücktes, Abenteuer für ein bisschen Seeluft um die Nase 😉
Weitere Tourenberichte von Radreisen:
- Radreise/ Bikepacking Kirgistan – Tian Shan Traverse
- Bikepacking / Graveln in der Sächsisch / Böhmischen Schweiz, Zittauer Gebirge und Böhmen (Tschechien)
- Gegenwind Nordsüdostwest – Bikepacking Ostsee (Berlin-Usedom-Berlin)
- Allein gegen den Wind: Radreise Ungarn-Serbien-Rumänien
- Radreise Dänemark – Schweden: 3 Wochen Sonne des Nordens
- Radreise Balkan: 12 Länder in 3 Wochen
- Radreise Mazedonien – Albanien – Griechenland
- Radreise Erzgebirge – Marokko: Himmel & Hölle
Unverzichtbar für dieses Abenteuer (kleine Auswahl):
- winzige, ultraleichte, dicke Isomatte: Thermarest Uberlite*
- Full-Zip-Regenhose von Vaude*
- ultraleichte belüftete Regenjacke von Endura*
- Lenkerrolle von Ortlieb*
- Satteltasche von Ortlieb*