Nur im Alleinsein können wir uns selber finden.
Alleinsein ist nicht Einsamkeit, sie ist das größte Abenteuer! (Hermann Hesse)
Der Piz Bernina ist der einzige Viertausender der Ostalpen im wunderschönen Kanton Graubünden in der Schweiz. Für ein Trekking in dieser Berggruppe gibt es zum einen den klassischen Bernina Trek, eine Route von Madulain bis Poschiavo oder die Umrundung durch das zauberhafte Valmalenco (Alta Via) und auf Teilen des Scersen Trails. Ich entschied mich für letztere Variante und orientierte mich an der Tourenbeschreibung der Wandersite.ch. Teilweise wählte ich jedoch alpinere Varianten als dort beschrieben. Ein kleiner Tourenbericht zum Solo-Trekking mit Hund auf der Bernina Umrundung. Da ein Teil des Treks die Rhätische Bahn begleitet, bietet es sich bei Schlechtwetter, Zeitmangel etc. an, ein paar Kilometer mit dem Zug zu bewältigen.
Am späten Abend komme ich an der Talstation der Diavolezza Bergbahn an, rolle mich mit Fellnase im Kofferraum ein und schlafe bis zum nächsten Morgen. Ein Blick in den Wetterbericht – morgen heftige Unwetter gemeldet… Okay, wir haben Zeit, unternehmen also morgen noch einen entspannten Trailrun, sitzen den Regen im Kofferraum aus und starten dann übermorgen, an einem sonnigen Tag Ende Juni auf den Piz Bernina Trek Richtung Cavaglia – die Variante der Umrundung durch das Valmalenco.
Tagebucheintrag, Samstag, 25. Juni
Ein kleiner Tümpel, umringt von saftigem Gras und weißen Blüten, in einer Felslandschaft. Dahinter donnern mehrere Wasserfälle aus dem Hängegletscher. Ein frischer Wind weht, ich sitze leicht fröstelnd in meiner Daunenjacke und sehe zu, wie mein felsumkesseltes Hochtal von Wolken verschattet wird.
Der erste Tag auf dem Trek – von schmerzenden Füßen (irgendwie gestern bei der Tagestour im Murmeltierloch umgeknickt), klaren, tosenden Bergbächen, ein Weg, der in Tierpfaden und später in einem bocksteilen Hang, rutschigen Grashang endete, vom Tau getränkte Socken. Pfade wie auf der GTA – wild, schmal, so vom Grün zugewuchert, dass man den Boden nicht mehr sehen kann und sich mit Füßen tastend voranbewegt…
… Haarsträhnen flattern mir ins Gesicht, der Kocher blubbert Spaghetti. Fellnase liegt breit ausgestreckt im struppigen Gras. Nur der Wind rauscht um meinen Kopf, lässt das Zelt rascheln. Vom Hängegletscher löst sich hin und wieder Eis und stürzt krachend in die Tiefe…
… Werde ich (noch) etwas (mehr) weltfremd zurückkehren? Vielleicht. Aber was weiß die Alltagswelt, die heutige Immer mehr – Immer besser – Gesellschaft von dieser Stille hier oben? Von Schmutz, Schweiß, Entbehrungen und Glückstränen. Von einer Welt, in der man einfach Da Sein darf, entkommen dem Wahn der Selbstoptimierung und des Überflusses.
Tagebucheintrag, 26. Juni
~Alpine Irrwege / Im Reich der Wasserfälle ~
Nach einer langen erholsamen Nacht strecke ich frühmorgens meinen Kopf aus dem Zelt. Wenige Sekunden später taucht die Sonne hinter der Bergkette auf und kitzelt mit ersten Strahlen. Ein Blick auf die Karte zeigt eine mögliche „alpine Abkürzung“ des GPX-Tracks. Naja, vielleicht keine Zeitersparnis aber Abenteuer statt Wanderwege. ..
… wir stapfen los, queren Schneefelder, kraxeln im Fels hinauf bis zum Pass und blicken in den steilen Caspoggio-Gletscher. Der steile Hang spaltenlos, erst weiter unten sieht man Spalten. Kritischer Blick zu Fellnase, aber mit integrierten Antirutschsocken und Steigeisen hat Herr Hund wenig Probleme in Schnee und Eis. Ich ziehe mir Grödel an und folge den Spuren im Schnee. Eine kurze Passage im Blankeis wird zumindest für mich etwas wackelig, dann erreichen wir schnell wieder Schnee und gleich darauf Geröllschutt. Dort treffe ich einen Bergführer mit Sohn, den ich nach dem weiteren (hunde- bzw. frauchentauglichen) Weg frage. Das heikelste Stück hätten wir geschafft, alles andere entspannt. Jippie!…
… Frohen Mutes gehen wir weiter und ernten immer wieder verblüffte Blicke von anderen Tourengehern. Im Gespräch mit einem italienischen Pärchen erfahre ich, dass eine Umgehung des Gletschers auch links über den Felsriegel möglich wäre. Auf dem Wegweiser zurück Richtung Pass steht „E.E.A“ – ich übersetze das mal mit „ehhh… etwas alpin“. Der eigentliche Trekkingweg führt vom Rifugio Bignami zum Rifugio Carate, hinab ins Tal und weiter bis zum Rifugio Longoni. Ich jedoch laufe bergnäher über das Rifugio Marinelli und unterhalb des Scersen Gletschers entlang, dem Höhenweg folgend…
…Mutterseelenallein steigen wir in ein Hochtal hinab, hinter uns Gletscher, Fels und Wasserfälle. Wir orientieren uns an Wegweisern und Farbmarkierungen, kraxeln glatte, vom Eis geschliffene Platten hinauf bis auf über 2800 m. Ich blicke kurz auf die Karte – ahh, natürlich stehen wir am Ende des Pfades, der nicht der Höhenweg ist, sondern der als Sackgasse vor einem Gletscher endet. Shit… ich drehe um und im Schweinsgalopp geht es etliche Höhenmeter bergab bis wir eine steile Geröllflanke zum eigentlichen Höhenweg queren…
… Endlich geschafft schleppen wir uns die verlorenen Höhenmeter wieder hinauf bis zum Pass. Rechts sehe ich den Abstiegsweg, den ich hätte nehmen müssen, wenn ich oben doch den Gletscher gequert hätte. Mmmh, egal, Hauptsache heil unten und kein unnötiges Risiko eingegangen. Rifugio Longoni steht am Wegweiser – nach links normaler Wanderweg, nach rechts E.E.A. – ähm , ich habe heute keine Lust mehr auf ehh, etwas alpin und wir schlagen den einfacheren Weg ein…
… Die Belohnung für den 10 Stunden Tag, alpine Kraxelei, Geröll- und Blockgehüpfe und Irrwege? Ein traumhaftes Fleckchen Erde, wo wir diese Nacht biwakieren werden. Hinter uns tosen Wasserfälle die Felsen hinab, vor uns vergletscherte Riesen. Auf dem Weg zur Hütte schlüpften vorhin Fuchsbabys in ihren Bau.
Am nächsten Tag stiegen wir tiefer ab und befanden uns seit einer gefühlten Ewigkeit wieder in einem lichten Bergwald und schlenderten durch farbenfrohe Blumenwiesen mit tanzenden Schmetterlingen. Mehrmals sprangen Rehe direkt neben dem Pfad ins Gebüsch. In angenehmer Steigung ging es bergan zum Murettopass, wo wir beinahe vom Sturm weggeweht wurden. Ich blickte zum Monte Forno, den ich mir als optionale Besteigung ausgesucht hatte, als mich erneut eine Sturmböe erfasste – ehh, nein, Abstieg ins windstille Tal Richtung Maloja und den zahlreichen Seen mit hübschen Badestellen. Wir fanden eine kleine, abgelegene nur für uns und planschten lautbellend (nunja, einer von uns) durch das kühle Nass.
Der weitere Weg hätte uns aus dem Tal heraus wieder hinauf auf die Fuorcla Surlej (knapp 2800 m, nahe der Rosatschkette) geführt und hinab in das Val Roseg Richtung Pontresina bzw. weiter zur Tschiervahütte mit optionaler Besteigung des Piz Morteratsch. Ein Blick ins Wetter – ab morgen mittag Unwetter und heftige Regenfälle. Ich schaute meine tief schlafende Fellnase an – Planänderung. Die Rosatschkette wird eine Tagestour, ebenso wie der Piz Morteratsch und wir entfliehen den heftigen Unwettern. Punkt 11 Uhr liefen wir in den Bahnhof St. Moritz ein, bei Nieselregen und Donnergrollen. Kurz nachdem ich in den Kofferraum kletterte, wurde es schwarz und grelle Blitze zuckten. Alles richtig gemacht, dachte ich mir, während Fellnase schon wieder eingekuschelt schlummerte.
Bernina Trek/Umrundung/Alta Via Valmalenco mit Hund // Herausforderungen
- überwiegend auf unschwierigen Wanderwegen, Pfade teils zugewuchert und wild
- mehrere optionale Gipfeltouren möglich
- Wasser gibt es regelmäßig in Bächen
- Anzahl der Hütten sehr dicht, Abstieg immer möglich. Entlang des Treks nur im Tal Einkaufsmöglichkeiten, wie Pontresina, Silvaplana…
- wer biwakiert, umgeht den Trubel auf den Hütten (je nach Verträglichkeit des Hundes) – vorher erkundigen, ob Hunde erwünscht sind!
- tlw. kann man Etappen entlang der Rhätischen Bahn verkürzen/überspringen, somit kann man je nach Gehtempo die Minimal-Tour in 4 Tagen laufen (Cavaglia – St. Moritz)
Weitere Tourenberichte vom Trekking mit Hund:
- Trekking / Klettersteig mit Hund im Val Grande – Into the Wild
- Trekking mit Hund: Gardaseeberge (Winter)
- Zuggeschirr für Hunde im alpinen Gelände
- Trekking mit Hund: Stubaier Höhenweg in 4 Tagen
- Trekking mit Hund: Piz Bernina Umrundung /Alta Via Valmalenco/Scersen Trail
- Trekking mit Hund: Tour du Mont Blanc
- Trekking mit Hund: Karnischer Höhenweg – Via della Pace
- Ski-(Winter-)trekking mit Hund mit Backcountry Ski – Tipps & Erlebnisbericht am Erzgebirgskamm
- Trekking mit Hund – Über das Tennengebirge
- Trekking mit Hund: Aostatal Höhenweg Nummer 1 – Weg der Riesen
Weitere Tipps :
Wintertrekking – Backcountry Skitouren – Winterzelten mit Hund
