Trekking mit Hund: Fischerpfad, Portugal
Trekking Fischerpfad mit Hund in Portugal

Trekking mit Hund: Fischerpfad, Portugal

Die Entfernung zwischen deinen Träumen und der Realität nennt man Disziplin. (unbekannt)

Noch den Sand des Mittelmeers zwischen den Zehen stehen wir wenige Stunden später an der Atlantikkküste in Südportugal. Der Fischerpfad (Fishermen’s Trail) als Teil der Rota Vicentina ist ein etwa 80 km langer Weg, der sich parallel zum Atlantik immer dicht am Wasser, oberhalb der Klippen, auf oftmals sandigen Pfaden, teils durch grünen Dschungel und Wäldchen entlang schlängelt.
Wir sind den Abschnitt von Porto Covo nach Odeceixe selbstversorgend gewandert.
Video bitte in HD schauen.

Mal wieder lerne ich zu staunen. Auf eine andere Art und Weise als bisher in den Bergen. Es ist der vorletzte Tag des Jahres. Die Sonne brennt auf meiner nackten Haut und ich kippe etwa 200 Gramm Sand aus jedem meiner Schuhe. Drei Meter vor meinen Füßen – der senkrechte felsige Abgrund hoch über den Wogen des Atlantik. Ich sehe die Bewegung des Wassers, die Wellen, wie sie sich den Klippen der Bucht nähern. Sich immer höher türmen und an ihrem höchsten Punkt beginnend, sich in eine weißschäumende, krachende Flut verwandeln. Manchmal steht das Licht so günstig, dass sich am oberen Wellentunnel in der Gicht ein Regenbogen bildet. Nur für einen kurzen Augenblick. Dann vergeht alles in Weiß und Blau. Und kehrt wieder. Nur anders. Vereinzelt schaukeln Fischerboote in den Wellen. Surfer reiten die Wogen. Der Horizont eine tiefblaue Linie, darüber helles Himmelblau.
Der zweite Tag auf dem Fischerpfad. Mexx hält wohlverdient neben mir im Sand ein Mittagsschläfchen und ich staune über diese gigantische Schönheit in jeder Sekunde. An jeder Bucht, an jeder Klippe höre ich mich sagen: „Ich kriege die Krise. Jetzt ist das schon wieder so schön!“ Ich sollte aufhören Fotos zu machen, denn dieses Naturparadies lässt sich nicht einfangen. Wild, ungezähmt und frei. 80 Kilometer sind es immer an der Küste entlang, oftmals direkt an der Abbruchkante der Klippen, wo darunter die Brandung des Atlantik schäumt.

Manchmal donnert es so laut das Mexx mich irritiert anschaut. Nur Wasser, mein Freund. Oftmals durch knöcheltiefen Sand – beschwerlich, mühsam und unbeholfen tapse ich wie eine Ente. Freue mich auf die Dschungelabschnitte wo der Pfad etwas stabiler wird, mitten durch grüne Tunnel aus Bambuswald und Knorzelbäumen.

Trekking Fischerpfad mit Hund in Portugal (Fishermen's Trail)
Trekking Fischerpfad mit Hund in Portugal (Fishermen's Trail)
Direkt an den Klippen entlang
Direkt an den Klippen entlang
Freistehende Felstürme vor den Buchten
Freistehende Felstürme vor den Buchten
Meeresrauschen non stop
Meeresrauschen non stop
Trekking Fischerpfad mit Hund in Portugal (Fishermen's Trail)
Trekking Fischerpfad mit Hund in Portugal (Fishermen's Trail)
Wellen im Atlantik
Wellen im Atlantik

Jeden Abend sind wir verabredet, um die Sonne zu verabschieden auf ihrem Weg in den Atlantik. Pünktlich sitzen wir auf der Klippe und es ist jedes Mal ein Fest. Genauso wie unterm klaren Sternenhimmel meine Isomatte auszurollen und auf Sternschnuppen zu warten. Wenn ich nicht schnell genug bin, sind sofort zwei Drittel der Matte von einem schnarchenden Felltiger eingenommen. Tagsüber beobachten wir Möwen, wie sie im Sturzflug kopfüber ins Meer eintauchen um Fische zu fangen. Und auf den meisten freistehenden Felstürmen im Meer nistet Familie Storch.

 Abseits der Küstenpfade führt der Weg hin und wieder durchs ruhige Hinterland durch malerische Örtchen. Aber auch arme Fischersiedlungen, welche einst diesen Weg geprägt haben. Die Dächer der Häuser sind rot, die Wände weiß, teils mit blauen oder gelben Rahmen um die Fenstern und Türen.

Den Sonnenuntergang feiere ich am zweiten Abend mit singenden Chinesen. Erst im Dunkeln lege ich mich zum Schlafen in den Sand und breche eine Stunde vor Anbruch der Morgendämmerung auf. Den 14 Uhr Bus von Odeceixe möchte ich unbedingt bekommen. Das ist der letzte. Dazwischen knapp 20 km Sand. Im worst case bei viel Watschelentengang 7 Stunden Gehzeit. Das heißt Wecker stellen, Stirnlampe auf und raus in die Finsternis.

Tägliche Sonnenuntergänge
Tägliche Sonnenuntergänge
Die ersten Meter zu Sonnenaufgang
Die ersten Meter zu Sonnenaufgang
Stehen und staunen
Stehen und staunen
Trekking Fischerpfad mit Hund in Portugal (Fishermen's Trail)
Trekking Fischerpfad mit Hund in Portugal (Fishermen's Trail)
Kleine Fischerdörfer
Kleine Fischerdörfer
Felsenburgen im Wasser
Felsenburgen im Wasser

Im Lampenschein flimmert aufgewirbelter Sand. Wir kommen eine Stunde vor Abfahrt des Busses an, nicht vor der letzten Abfahrt, sondern vor der vorletzten, die noch zwei Stunden früher fährt. Anscheinend haben wir den Entenwatschelgang mit Düsenantrieb perfektioniert. Ticket online gekauft und überpünktlich an der Haltestelle. Die Bustür öffnet sich und mir schallt entgegen: no dogs! Mit hängenden Schultern sehe ich dem Bus nach.

Okay, ich hätte vorher prüfen sollen, ob es sich bei der Buslinie um einen Nah- oder Fernverkehr handelt. Nachträgliche Weisheit bringt mich nun aber auch nicht nach Porto Covo. Auf eine Doppelseite meines Tagebuchs schreibe ich „Porto Covo“, Daumen raus und ein leicht nervöses Lächeln im Gesicht, das meine Enttäuschung nur schwer verbergen kann.

So ein Mist. Naja, meine Welle glückseliger Naivität ist zu Ende geritten. Die meisten winken freundlich aus ihren Autofenstern, recken mir den Daumen nach oben entgegen. Oder blicken angestrengt auf den imaginären Fleck in der Windschutzscheibe. Nur ein kleines verbeultes Auto hält, mit zwei jungen Männern darin. „You drive to Porto Covo?“ Sie nennen mir einen Ortsnamen, den ich – kaum verwunderlich – nicht zuordnen kann und auch nicht richtig verstehe. „Is it on the way to Porto Covo?“ Die Antwort hinterlässt auch Fragezeichen. Das letzte Mal, als ich ohne den Ortsnamen richttig zu verstehen auf gut Glück ins Blaue getrampt bin, landete ich anstatt in Montenegro im Kosovo. Mmh. Im Nachhinein hätte ich wohl das nette Angebot annehmen sollen, aber ich war noch in den ersten zehn Tramperminuten und somit optimistisch.

Eine halbe Stunde dann aber nicht mehr. Andere Optionen des öffentlichen Nahverkehrs: keine. Selbst die schnell mit der linken Hand installierte Taxi-App (die rechte Hand hält meine Tagebuch-Doppelseite) teilt mir mit: Bitte wähle eine andere Route. Ich wende den Blick von Straße und Handy. Hinter mir steht eine Frau mit Reisekoffer und raucht. Ob sie wisse, wie man nach Porto Covo kommt? Zehn Minuten später hat sie beim fünften portugiesischen Taxidienst, den sie freundlicherweise für mich anruft, Erfolg. Der Rest arbeitet heute nicht. „He comes in two hours and wants 80 Euros for the drive . Dog is okay.“ So gebe ich meine Tramperkarriere wieder auf. Setze mich ins Gras, warte aufs Taxi und kippe Sand aus den Schuhen.

Traumhafte Ausblicke
Traumhafte Ausblicke
Kunterbunte Klippen
Kunterbunte Klippen
Menschenleere Küste
Menschenleere Küste
Sand im Schuh ;)
Sand im Schuh 😉
Atlantik im Dezember
Atlantik im Dezember
Finde das Storchennest ;)
Finde das Storchennest 😉

Anderthalb Stunden später stupst mich mein Taxifahrer beim wild gestikulierenden Erzählen im Sekundentakt an, snackt gemeinsam mit mir selbst angebaute Erdnüsse, zeichnet mit seinen Fingern den Verlauf der Algarve nach und lacht so laut und herzlich, dass ich die Erschöpfung vor wenigen Minuten sofort vergesse. „I don’t want more and more and more. I have enough to live and I want to give to others.“ Er erzählt von seinen 23 Orangenbäumen im Garten, neben Avocados, Süßkartoffeln und Knoblauchpflanzen. Ich müsste direkt daran vorbeigekommen sein, sagt er. Ja, ich entsinne mich, dass ich kurz überlegt habe, eine Orange zu mopsen, es aber aus Anstand nicht getan habe. „You are always welcome. Camp, park, fruits for free.“ Liebes Universum, wie schnell schaffst du es doch immer wieder Tränen zu trocknen. Die Autofenster sind alle geöffnet, Hiker-stink, ich rieche mich zum Glück selbst nicht. Auf dem Campingplatz in Porto Covo freue ich mich sehr, mein Auto wiedersehen zu dürfen, zwei Wangenküsschen und eine Umarmung zum Abschied. Ich zahle an der Rezeption meine Parkgebühren, sitze hinterm Steuer und suche für die heutige Nacht ein Lager. Da klopft es an der Scheibe. „You can have a warm shower if you want.“ A shower? Wow. Really? Dreißig Sekunden später und ich befreie meine Zehen und Haare von Sand. Überglücklich und sauber fahre ich von dannen – denn ich bin heute Abend verabredet. Mit Mexx. Der Sonne und dem Atlantik. 

Und als sich die Jahre 2024 und 2025 die Hände schütteln und ineinander überfließen, bestaunen wir das Feuerwerk von Lissabon. Am Neujahrstag erwarten mich „kühle“ 15 Grad. Wir treten die Rückreise in den Norden an. Die letzte Nacht der Reise verbringen wir im Schnee, still unter den Sternen nahe des Arlbergpasses. Da steht dann ein bitterkaltes Minuszeichen vor den 15 Grad und ich fahre mich am nächsten Tag mit den Skiern wieder warm. Am ersten und letzten Reisetag Skifahren – Ziel erreicht

Jeden Abend...
Jeden Abend...
Magische Momente
Magische Momente

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Hey, was für ein genialer Bericht über eure Tour auf dem Fischerpfad in Portugal! Deine Erzählungen lassen einen direkt mitfühlen – die heißen Sandstrände, die beeindruckenden Klippen und das ständige Meeresrauschen. Man bekommt richtig Lust, selbst mit dem Vierbeiner loszuziehen. Die Fotos sind der Wahnsinn und fangen die Stimmung perfekt ein. Danke, dass du uns an diesem Abenteuer teilhaben lässt! 🌊🐾

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