Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt. (Albert Camus)
Am Vortag sitze ich mit meiner Freundin Claudi und einem nimmersatten, vierbeinigem Fressfeind ewig lang in der warmen Mittagssonne auf dem Hohen Burgstall, einem Gipfel der Seven Summits im Stubai. Wir schauen in die felsige, schneefreie Seite der Kalkkögel. Ich grüble nach einer tollen Sonntagstour, gern etwas anspruchsvoller. Ja, dann macht doch morgen die Kalkkögelüberschreitung, sagt Claudi. Der „Lustige Bergler-Steig“ ist eher ein Steig mit mehreren Drahtseilpassagen, steilen Rinnen und Felsblöcken mit Eisenklammern (Klettersteigschwierigkeit B). So googele ich die Tour und schicke sie an Marcel, meinem Tourenpartner für eine eigentlich angedachte entspannte Sonntagsrunde. Passt!, kommt zurück und am Abend werfe ich den Helm und Sicherungsmaterial für Mexx in den Rucksack.
Eindrücke der Kalkkögelüberschreitung mit Hund im Frühwinter.
Wir starten am Parkplatz der Axamer Lizum, direkt vor den Toren des Skigebiets, welches in einer Woche öffnen soll. Etwas Schnee liegt schon und so stapfen wir im Schatten der Kalkkögel bergauf zum Halsl, dem ersten Zwischenziel der Tour. Natürlich hat der gestrige Blick auf die Südseite der Kalkkögel verlockend gewirkt, doch hier auf der Nordseite herrscht Winter. Noch gibt es Spuren im Schnee und einige kommen uns von ihrer Sonnenaufgangstour im Abstieg entgegen. Noch witzele ich, dass ich froh bin, dass es menschliche Spuren im Schnee vor uns gibt, sodass wir anscheinend nicht die einzigen Wahnsinnigen hier sind. Doch schon bald nach dem Halsl, im Aufstieg zum Ampferstein, trampeln diese Spuren noch einen kleinen Kreis und laufen zurück. Vor uns unberührter Schnee und Fels, nur Spuren von Gämsen und weißen Schneehasen manchmal vor uns. Mexx und ich gehen voraus, hinterlassen Schuh- und Pfotenabdrücke. Zwar sind die Bedingungen nicht optimal, aber unter der Neuschneeschicht findet man noch gut Halt im Fels und so stapfen wir vorsichtig weiter.
Die ersten Kraxelstellen, dann die erste nahezu senkrechte Felswand, drahtseilversichert. Ui, das geht ja gut los, herrjemine, das soll B-Schwierigkeit sein? Ich steige vor, finde stabilen Stand und sichere Mexx ziehend nach oben. Das ging besser als gedacht und der tapfere Vierbeiner meistert den „Seil-Lift“ souverän. Es gibt etwa drei ähnliche Schlüsselstellen, alles steilere Rinnen oder nahezu senkrechte Blöcke, oft mit Eisenklammern als Tritthilfen, die aber Mexx nichts bringen. Wir meistern diese Stellen nahezu allein ohne die Hilfe von Marcel in Anspruch zu nehmen, der staunend mit an sieht, wie Mexx in die Höhe schwebt und dann sobald er Halt findet, weiter kraxelt und sich schon über das nächste Schneefeld freut. Ich bin sehr froh, diesmal instinktiv ein längeres Seil für Mexx eingepackt zu haben, denn die Zugstellen sind doch teilweise an die 5 Meter lang.
Von der kalten Nordseite wechseln wir auf die Südostseite um schließlich fast schneefrei auf der Südseite zu stehen. Meine klitschnassen Trailrunner trocknen in der Sonne. Der Ampferstein liegt hinter uns und wir marschieren weiter, kraxeln eine breite Rinne mit viel Geröll (Steinschlag, Helm!) hinauf zur Marchreisenspitze und genießen wohlverdient den grandiosen Ausblick vom Gipfel. 360 Grad Panorama Deluxe! Aufgrund der erschwerten Bedingungen und der kurzen Tageslichtspanne entscheiden wir uns, in der Malgrubenscharte abzusteigen und nicht den Bogen (länger, aber unschwierig) übers Hoadl zu gehen. Wir verlassen die Sommer-Südseite und stehen auf einmal mitten im Winter. Schnee, teilweise Eis und Kälte. Im oberen Teil ist der Weg abgerutscht und hinterlässt vereiste, glatte Stellen. Mexx mit seinen Antirutschpfoten mitsamt Krallen tingelt ohne Probleme drüber, ich balanciere im vorsichtigen Tanzschritt mit meinen Trailrunnern durch Fels und Eis und profitiere von der weichen, biegsamen Sohle. Marcel entscheidet sich wegen seiner eher steifen Bergschuhsohle für den Einsatz von Steigeisen. So finden wir dann langsam und bedächtig den Weg sicher nach unten.
Ein wunderbares Abenteuer der Extraklasse, eine kleine Sonntagsexpedition. Wahrscheinlich sind wir die letzten Tourengeher für diese Saison gewesen :). Danke!
Hinweise (eigentlich selbstverständlich…) :
- absolute Trittsicherheit und alpine Erfahrung für Mensch und Hund erforderlich – nur das tun, was man sich zu traut.
- Bei Vereisung, Schnee und Nebel heikel!
- Helm aufgrund Steinschlag mitnehmen!
- Im leichten Gelände geht Mexx bei mir an einer elastischen, aber doch stabilen Leine. Im sehr leichten (Geh-)Gelände am Zuggeschirr. Wird das Gelände schwieriger, verwende ich Seil bzw. Schlingen und Karabiner zum Sichern. Für anspruchsvolle Kraxelstellen mit benötigter Unterstützung sollte ein klettertaugliches Geschirr gewählt werden (siehe dritter Link unterhalb).