Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen. (Hermann Hesse)
Der Piz Morteratsch (3751 m) wird als einfache Hochtour beschrieben, möglich als Hin- und Rückweg von der Tschiervahütte oder als Überschreitung von der Bovalhütte aus. Von 3 Bekannten, die diese Tour bereits gegangen waren, holte ich mir im Vorfeld Erfahrungen ein, wälzte stundenlang Tourenberichte und sichtete Fotos dazu, um den Anspruch dieser Tour abzuschätzen.
Am Ende entschied ich mich aus Sicherheitsgründen für den Normalweg und gegen die Überschreitung. Weniger aufgrund der Kraxelschwierigkeiten, sondern weil ich bei hohem Andrang an dem Weg mit Hund keinen Steinschlag auslösen wollte.
Das Einzige, was mir noch Sorge bereitete, war eine Passage in einem Tourenbericht eines Sologehers – die Steilstufe im Gletscher – Blankeis, weswegen er auf den leichter zu begehenden Piz Tschierva auswich. Tja, uns ging es ähnlich… ein Tourenbericht von einer (Solo-)Hochtour mit Hund auf den Piz Tschierva.
Es ist 17 Uhr, als uns der Zug in Pontresina ausspuckt. Mein Magen ist gefüllt von der nachmittäglichen Pastaparty, sonst sind nur ein paar Riegel im Rucksack, zudem Schlafsack, Isomatte, Daunenjacke und die Hochtourenausrüstung. Durch das zauberhafte Val Roseg laufen wir lange und flach hinauf Richtung Tschiervahütte, nur vereinzelt sind noch Menschen unterwegs. Nach etwa 2,75 h erreichen wir einen geeigneten Biwakplatz, wo wir uns ins Gras legen – Mexx als Fellknäuel und ich auf Schlafsack und Isomatte. Natürlich tröpfelt es etwas in der Nacht, obwohl die Wettervorhersage was anderes gemeldet hatte… Etwas nass und müde wälze ich mich ab halb vier hin und her, schaue Sterne, die Milchstraße und Stirnlampen, die Richtung Piz Bernina verschwinden.
4: 30 Uhr – ich krabbele aus der nassen Hülle, packe meine wenigen Sachen ein, trinke einen Schluck und los gehts zur Hochtour mit Hund. Steil bergan bis zur Tschiervahütte und danach in Serpentinen weiter bis zur ersten kettengesicherten Steilstufe. Mit Unterstützung bzw. Zug von oben kein Problem für den Vierbeiner und schon hecheln wir weiter. Die zweite Steilstufe ist wesentlich einfacher und kann sogar rechts im Blockgelände umgangen werden.
Wir sind anscheinend die Einzigen, die zu dieser frühen Uhrzeit auf dem Weg sind zum Piz Morteratsch. Mmmh, ich hätte gedacht, es ist wesentlich mehr los – das war ja der Grund, warum ich die Kraxelei von der Bovalhütte aus aufgab. Nunja, hat alles Vorteile, so gehen wir eben den einfachen Weg. Wir verlassen das Gletschergeröll, ich wechsle die Schuhe, lege Steigeisen an, den Eispickel griffbereit. Die Leine des Vierbeiners verlängere ich mit zwei Schraubkarabinern und einer Bandschlinge, um mehr Reaktionsfreiheit zu haben. Der Gletscher ist aper, die Spalten sind gut zu überschreiten und nicht sehr zahlreich.
Sehr schnell kommen wir voran und steigen in den Gletscheraufschwung ein – mein Bauchwehproblem, auch während der Planung… Vor paar Jahren lag hier noch wesentlich mehr Schnee, sodass man wohl wie auf einer Schneetreppe nach oben stapfen konnte. Und nun? Ich steige vorsichtig auf, bald Blankeis statt hart gefrorener Schnee… Nee, das machen wir nicht. Allein ja, mit Hund nein. Fellnase Umkehr! Wir sind ja nicht lebensmüde. So dackeln wir sicher wieder zurück auf den Gletscher.
Ich wollte noch einen Blick auf den Grat werfen, die Fuorcla da Boval. Bestimmt eine Alternative als die „Eiskletterei“, aber auch hier: Allein ja, mit Hund nein. Wäre vielleicht machbar, aber ein vielleicht mache ich nicht, zumal ich keine Informationen über die Schwierigkeit habe… Also wieder zurück auf den Gletscher und die Ausweichoption Piz Tschierva.
Durch die Geröllflanke auf den Grat zum Piz Tschierva führt eine mit Steinmännchen markierte Steigspur über grobes Block- und Schuttgelände. Für den Aufstieg steigen wir einen höhergelegen Weg hinauf, aber jede Linie ist dort mehr oder weniger gangbar. Wir queren einige weiche Schneefelder, bis wir den Schuttgipfel des Piz Tschierva erreichen.
Ein Blick in eine traumhafte Bergwelt… im Vordergrund Piz Morteratsch, dahinter der markante Biancograt des Piz Bernina. Ganz allein hocken wir hier oben in der sonnigen Stille, während sich im Tal die Wolken türmen. Endlich Zeit fürs Frühstück! Punkt 9 Uhr.
Auch wenn für heute keine Unwetter angesagt sind – ich bin bei dicken grauen Wolkengebilden in den Bergen wohl immer etwas übervorsichtig – so stiefeln wir nach einer kleinen Gipfelrast wieder hinab.
Es ist halb elf, als wir wieder am Gletscher ankommen und ich die Steigeisen anlege. Ich beobachte mehrere Seilschaften, die vor der Steilstufe im Gletscher stehen. Mmh, so spät, denke ich… mehrere Minuten lang stehen sie da und schauen in das Blankeis, ehe sie umdrehen. Diese Passage ist also manchen sogar in einer Seilschaft zu heikel. Ob sie auch auf den Piz Tschierva auswichen oder es über den sehr ausgesetzten Felsgrat versuchten, habe ich im Abstieg nicht mehr sehen können.
Sicher und entspannt steigen wir ab, Schuhe wechseln und hinab durchs Gletschergeröll. Ein wenig Gedanken hat mir der Abstieg der ersten Steilstufe bereit, doch Mexx ist schon (von oben straff gesichert) unten, bevor ich mir weitere Gedanken machen kann. Eine Rast auf paar Holzplanken, ein Lebenszeichen in die Heimat senden… Ich bin froh, umgedreht zu sein.
Mit viel Schnee, der dort vor paar Jahren bestimmt noch gelegen hat, ist der Piz Morteratsch eine leichte Hochtour. Aber aktuell ist der Piz Tschierva die sichere, schöne und einsame Alternative für eine Hochtour mit Hund.
Hinweis: Diese Tour ist nur Menschen mit ausreichend alpiner Erfahrung zu empfehlen.
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