Gib das, was dir wichtig ist, nicht auf, nur weil es nicht einfach ist.
(Albert Einstein)
Bikepacking mit Hund? Kannst du vergessen, da musst du dich eben mal einschränken, dir es zuhause gemütlich machen… das geht eben einfach nicht mit Hund. Das ist halt so. Wie oft habe ich solche Worte gehört. Und lange Zeit geglaubt. Bis ich in einer persönlichen Krise mich gefragt habe, ja, verdammt nochmal, warum denn eigentlich nicht? Und dann hab ich es einfach allen Unkenrufen und allem Kopfschütteln und Augenverdrehern zum Trotz gemacht. Es ist zwar nicht alles so easygoing, wie sich das die Mehrzahl der Menschheit wünscht, aber darum und um irgendwelches Schubladendenken hab ich mich noch nie geschert. Just do it 🙂 – Tipps zum Bikepacking mit Hund (Dogpacking).
Eine Übersicht der bereits geradelten Touren (sortiert in mit und ohne Hänger) findet sich hier (Link).
Radeltouren finde ich auf bikepacking.com.
Randbedingung namens Hund
Eins vorab: Bikepacking mit Hund ist für den Vierbeiner eine konditionelle Meisterleistung (wenn man ihn nicht die ganze Zeit im Hänger hinter sich herzieht). Alter, Fitness, Gesundheit sind die Hauptfaktoren, ob sich ein Hund für dieses Abenteuer eignet – und ob es ihm überhaupt Freude macht, im Hundetrab die Welt zu entdecken. Frage im Zweifelsfall deinen Tierarzt, trainiere vorher mit dem Vierbeiner und überfordere ihn nicht! Denn was wir bergab rollen können, muss er alles laufen…
Folgendes basiert auf meinen eigenen Erfahrungen mit Mexx während Dutzender Touren. Jeder Hund ist individuell, jeder Mensch ebenso. Was du hiervon übernimmst oder ganz anders machen willst, bleibt dir überlassen.
Unabhängig von der Tour haben sich für mich folgende, an sich selbstverständliche Punkte herauskristallisiert (bezieht sich auf Touren ohne Hänger, wo der Hund die ganze Distanz selber laufen muss):
Distanz:
Wir planen etwa mit 30 bis 50 km am Tag und 1000 bis 2000 Höhnmetern. Bei grobem, wildem Gelände, teils mit Schiebestellen und voll bepackt, ist das auch für den Zweibeiner ein tagesfüllendes Programm. Und auch meine Fellnase wird älter, sodass nach vier anstrengenden Vollgastagen offroad erstmal eine kleine Pause benötigt wird. Meistens kombiniere ich so 3 bis 5-tägige Touren mit einer hundeentspannten Aktivität am Ende wie Paddeln, Roadtrip etc. Die längste Distanz am Stück (ohne Hänger) war unsere Feuertaufe, die Alta Via Monte Liguri (10 bis 11 Tage, 420 km, unzählbare Höhenmeter). Maximale Distanz mit Hänger hängt von den Oberschenkeln des Zweibeiners ab…
Tempo:
Versuche deinen Hund im Hundetrab zu halten. Dies ist wesentlich kraftsparender, als wenn er regelmäßig in den Galopp verfällt, um dein hohes Tempo bergab mithalten zu können. Das heißt natürlich, dass gerade auf langen, asphaltierten Abfahrten, wo man als Radler es gern mal laufen lassen würde, man mit angezogenen Bremsen fährt, das Tempo des Hundes hält, um ihn nicht zu überanstrengen. Denn Hunde überanstrengen sich, aus Angst, den Anschluss an das Rudel zu verlieren. Bleib also bei ihm und rolle entschleunigt mit 6 bis 8 km/h durch die Gegend. Glaub mir, man sieht wesentlich mehr vom Wegesrand :).
Temperaturen und Wasserversorgung:
Zwei Punkte, die man in einem Atemzug erwähnen kann. Je niedriger die Temperaturen sind, desto leistungsfähiger ist der Hund. Je öfter er Wasser findet, ebenso. Deswegen radle ich gern in den Vor- und Nachsaisons (Frühjahr und Herbst) bzw. im Sommer recht weit oben in der Höhe, um der brütenden Tageshitze zu entfliehen. Und wenn das nicht hilft: Lange Siesta und die Morgen- und Abendstunden nutzen. Ein weiterer Vorteil, wenn man im Frühjahr unterwegs ist und oben die Gipfel noch eingezuckert sind: Durch die Schneeschmelze ist überall Wasser vorhanden. Teilweise sind Wege noch eingeschneit, sodass so gut wie keine anderen Radler oder Wanderer unterwegs sind. Und der Nachtfrost hält die Temperaturen angenehm kühl.
Pfotenschutz:
Heile Pfoten sind das A und O. Mexx ist da zum Glück recht unempfindlich und seine Pfoten sind schon abgehärtet. Trotzdem ist auf groben, scharfkantigem Untergrund und heißem Asphalt für Schutz zu sorgen. Nach nicht den tollsten Erfahrungen mit diversen festen Hundeschuhen verwende ich die Überzieher (Booties) aus dem Zughundesport, die es in unterschiedlichen Materialstärken gibt von Uwe Radant. Sie sind zwar nicht für die Ewigkeit gemacht und nach einem langen Tag durchgelaufen, deswegen günstige Einwegprodukte, aber erfüllen hervorragend ihren Zweck.
Zusatzgepäck für den Hund:
Oft werde ich gefragt, ja aber für den Hund musst du ja noch extra so viel mitschleppen. Dann blinzele ich irritiert. Naja, einen kleinen Faltnapf und sein Hundefutter für die ersten paar Tage. Den Maulkorb bei Öffibenutzung und für den Notfall beim Tierarzt. Wenn es kälter ist, noch eine Isomatte. Sonst nichts. Falls wir sehr lang unterwegs sein sollten, kommt auch seine Zahnbürste mitsamt Zahnpasta mit 😉 . Impfungen, Entwurmungen oder Anti-Ungeziefer (z.B. Sandflöhe) sollten rechtzeitig und regelmäßig stattfinden.
Freilauf/angeleint – Leine und Geschirr:
Natürlich ist es am entspanntesten, wenn der Hund frei nebenher laufen kann. Dein Hund sollte immer abrufbar sein und du solltest immer die Umgebung checken. Das funktioniert bei Mexx recht gut. Wenn er im Bikepackingmodus ist, werden sogar Rehe, Katzen und Hunde so gut wie ignoriert, denn Herr Hund ist jetzt ja bei der Arbeit und nicht dass das Frauli auf einmal weg ist 😉 . Er läuft bei mir frei, wenn das Gelände gut einsehbar bzw. „ausbruchsicher (steile Felswand/Abgrund am Wegesrand) ist, keine Schafe, Murmeltiere etc. sichtbar sind und wir nicht in einem besonderen Schutzgebiet unterwegs sind. In Dörfern oder Städten natürlich immer auf der rechten Seite an der kurzen Leine. Das endet nur meist im Stop and Go, weil jede Ecke so toll duftet. Eine wunderbare Übung für Geduld und Gelassenheit. Die Bungeeleine hängt bei mir in einer extra Schlaufe mit Karabiner am Lenker. In Ortschaften und im Straßenverkehr liegt sie kurz gefasst unter meiner rechten Hand auf dem Lenkergriff, um mehr Kontrolle zu haben. Wenn sich dein Hund im Straßenverkehr unsicher fühlt, dann schiebe oder plane verkehrsfreie Umgehungen. Für mich sind auch nur autoarme, kleinere Straßen eine Option, wenn es gerade keinen Feldweg oder ähnliches gibt. Generell meide ich viel befahrene Straßen strikt. Da wir jedoch ausschließlich in fast menschenleeren Gebieten unterwegs sind, ist das nie ein Problem.
Er läuft in einem bequemen Geschirr, was nicht scheuert. Ich habe mich gegen ein Zuggeschirr entschieden, denn mittlerweile ist er zu schlau, um mich zu ziehen. Und beim Zuggeschirr würde mir der weiter hinten liegenden Anleinpunkt zu wenig Kontrolle in Orten und im Verkehr geben.
Herdenschutzhunde:
Wichtiger Punkt. Bei nahezu allen Touren treffe ich auf die riesigen, weißen Hütehunde, die lautstark bellend auf uns zugeschossen kommen. Erste Regel: Absteigen und Ruhe bewahren. Warten, bis sie realisieren, dass du keine Gefahr darstellst. Den Hund auf der abgewandten Seite, im Idealfall mit dem Rad oder einem Radpartner geschützt führen. Der Hund sollte nicht fest mit dir oder deinem Rad verbunden sein, die Leine locker in der Hand, sodass du im Zweifelsfall (bei einem Angriff) ihn frei lassen kannst, um dich selbst zu schützen. (Leider spreche ich da aus Erfahrung: Auf der Transverdon hab ich auch meinen linken Oberschenkel als Beißwurst einem übermütigen Hütehund angeboten. Mexx ist nichts passiert.) Im weiten Bogen langsam weiterlaufen, sobald etwas Ruhe eingekehrt ist. Versuche ruhig und entspannt zu sein. Das beruhigt nicht nur deinen Hund, sondern oftmals auch die anderen. Im Idealfall begrüßt man sich kurz schnuffelnd und wedelt dann weiter (dies aber nur, wenn die Hunde keine Aggressionen zeigen). Meistens laufen die Hütehunde nur eine begrenzte Strecke mit, um bei ihrer Herde zu bleiben. Wenn du in ausreichender Entfernung bist, kannst du vorsichtig wieder aufsteigen und langsam weiterrollen. Fährst du mit Hänger, stopfe deinen Hund einfach hinein und schiebe.
Hänger oder Nicht-Hänger?
Tja und nun die Frage aller Fragen: Hänger ja oder nein? Klare Antwort: Hängt von der Tour ab (und vom Laufwillen des Hundes und der Ziehfreude des Menschen). Für uns gibt es prinzipiell 3 Setups:
- Vollgefedertes Mountainbike mit Lenkerrolle und Rucksack
Für alpine Unternehmungen mit sehr vielen Höhenmetern und einem Großteil an technischen Singletrails, Schiebe- oder gar Tragepassagen (Rad auf den Schultern). Vorteil: Meist ist man für den Hund eh im Wandertempo unterwegs, weil man sich beim Uphill abmüht und beim Downhill irgendwie versucht, nicht auf die Schnauze zu fallen… (Beispiel: Capricorns Trail, Alta Via Monte Liguri) - Offroad Bikepacking Rad
Das ist unser Offroadmonster – das Trek 1120 mit 29-Plus-Bereifung und Taschenhalterungen. Für die wilden Holperpfade, Schlamm- und Sandpisten. Alternativ kann man auch ein bikepackingtaugliches Hardtail verwenden. Für alle Touren, wo man nicht zwangsläufig das Monster mitsamt Taschen schultern muss… Touren mit einem hohen Offroadanteil, nicht ganz so technischen Downhills und grobem Gelände. Auch hier ist man im Offroadgelände mit moderatem hundefreundlichen Tempo unterwegs. Wenn Asphaltanteile vorhanden sind, dann im Bremsmodus. (Beispiel: Transverdon, Tour du Queyras, GR 223 Menorca) - Gravelbike (teils auch das 29-Plus-Bike) und Hänger
Und nun zum Hundeanhänger. Für alle Touren, welche nicht die schlimmsten Wegbedingungen aufweisen (einen hohen Fahrbarkeitsanteil, wenig Singletrailanteil, entweder gute Forststraßen, „gravelroads“ oder leere Asphaltstraßen) und nicht die extremste Höhenmeteranzahl aufweisen. Obwohl auch hier wieder der Wille des zweibeinigen Zugtieres zählt. Bei Anstiegen läuft Mexx neben dem Hänger her, auf geraden Strecken und bergab sitzt er im „Hundetaxi“. Bei langen Straßenanstiegen mit moderater Steigung oder bei viel Verkehr sitzt er auch drin, während ich vorn kämpfe und mir schwöre, nie wieder ein Hundetaxi XXL (15 kg) inkl. Lebendfracht XXL (35 kg) mir anzulachen… Hinweis: Nicht jeder Hund mag im Hänger sitzen! Unsere Eingewöhnung lief notgedrungen in 5 min ab und spätestens ab dem zweiten Radeltag ging er sehr fröhlich in den rollenden Schlafwaggon. Wir benutzen einen Petego Comfortwagoon mit Federung in XXL. (Beispiel: Transnevada, Empty Mountains, Wolfs Lair).