Bikepacking mit Hund: Menorca – GR 223
Bikepacking mit Hund - Menorca, GR 223

Bikepacking mit Hund: Menorca – GR 223

In 20 Jahren wirst du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die Dinge, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus aus dem sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche. Träume.
(Mark Twain)

Kurz vor meiner Abreise schickte mir eine gute Freundin obigen Spruch. Sie weiß von meinem manchmaligen Zögern den ersten Schritt hinaus ins Ungewisse zu tun… und wenige Stunden später stopfe ich meine noch schneenassen Ski zwischen Radl, Bikepackingsachen, Tauchanzug und dem treuen Vierbeiner. Wenn wir schon eine wilden Reise in den weiten Süden antreten, dann wird am ersten und letzten Reisetag noch Ski gefahren… So begann unser Abenteuer im Süden. Eindrücke vom Bikepacking mit Hund auf dem GR 223, dem Cami de Cavalls, knappe 200 km einmal rund um Menorca.

(Video bitte in HD schauen).

Unser Schiff kippt so schief in den hohen Wellen, dass alles, was nicht angeschraubt ist, quer durch den Raum geschleudert wird. Ich schrecke aus meinen Traumfetzen hoch, als mich (mal wieder) in unregelmäßigen Abständen eine kalte Schnauze anstupst und mit großen Augen fragt: Ist das okay, dass hier alles schaukelt und wackelt? Ja, ist okay, Tiger, tätschele ich den schwarzen Hundekopf, und jetzt lass mich bitte weiterschlafen, es ist drei Uhr nachts. Mit einem Brummen rollt er sich (vorerst beruhigt) zusammen. Und ich rolle mich ebenso wieder in den Schlafsack ein, auf unserer Sofa- und Sesselburg am Rand der Fährlounge. Überall auf der Fähre hängen „No pets in this area“-Schilder, aber die treuen Fellnasen sind überall, auf den Sofas, ausgestreckt auf dem Teppichboden, dicht an ihren Zweibeiner gekuschelt. Und die zugigen Gitterboxen auf dem Außendeck, die eigens zur Haustieraufbewahrung errichtet worden sind, gähnen leer. Niemand sperrt seinen besten Freund da nachts ein. Als ich gesehen habe, dass sich die Spanier überhaupt nicht an diese Regeln halten und sogar die Glühbirnen ausschrauben, damit die Lounge gemütlich im Dunkeln liegt, um besser schlafen zu können, ja, da schere ich mich auch nicht länger um Verbotsschilder.

Wenige Stunden später, Sonne und Salz auf der Haut, Sand zwischen den Zehen und Sturmböen im Haar, stehen wir auf dem Cami de Cavalls, dem „Pferdeweg“, dem GR 223, der einmal rund um Menorca führt. Gigantische Wellen brechen gichtbrausend an den hohen Felsen, lachende Möwen über unseren Köpfen. Noch sind wir zu Fuß unterwegs, nur ein kleiner Ausflug vor dem dringend benötigten Mittagsschlaf, um danach in Ruhe das Rad zu packen. Zwischen einsamen Felsbuchten, feinen Sandstränden, verschnorkelten Bäumen und dem satten Grün des Landesinneren – ich weiß schon, dass morgen unser erster Radeltag mit einigen Flüchen beginnt. Schon auf den ersten Kilometern gibt es mehrere Schiebe- und Tragepassagen. Aber nur kleine Flüche. (So dachte ich damals noch 😉 ).

Wilde Nordküste auf Menorca
Wilde Nordküste auf Menorca
Pferde auf dem "Pferdeweg"
Pferde auf dem "Pferdeweg"
Bikepacking mit Hund - Menorca, GR 223
Bikepacking mit Hund - Menorca, GR 223
Stürmische Nordküste - Bikepacking Menorca
Stürmische Nordküste - Bikepacking Menorca
Aussichten auf Menorca
Aussichten auf Menorca
Fahrt in den Sonnenuntergang
Fahrt in den Sonnenuntergang

Der erste Tag auf dem Trail neigt sich dem Ende zu. Der Tramuntana, der an 185 Tagen im Jahr wehende Nordwind mit aktueller schwerer Sturmwarnung und Geschwindigkeiten von über 100 km/h, hat gedreht und ich muss einsehen, dass meine kleine Mulde zwischen den Felsblöcken nicht von allen Seiten windgeschützt ist. In regelmäßigen Abständen blitzt der Lichtkegel des Leuchtturms am Horizont auf. Acht Stunden Fahr-, Schiebe- und Tragezeit für 33 km. Wobei sich die Fahrzeit auf unter 10% belaufen dürfte. Die Fluchzeit auf 90%. So wild, menschenleer und wunderschön dieser Weg auch ist, wer hier beladen bikepackt, muss leidensfähig sein. Starke Nerven und Arme vorausgesetzt. Steile, kaum schiebbare An- und Abstiege, teils loses Geröll, teils bis zu einem Meter hohe Felssteilstufen. Blasen an den Händen, angehender Muskelkater in Armen und Rücken, Schrammen und blaue Flecken an den Beinen. Ein Balanceakt auf den technisch anspruchsvollen Trails, wenn man mal versucht zu rollen. Hochkonzentriert, nur kein Sturz, nur kein aufgeschlitzter Reifen am scharfkantigen Gestein. Aber wenn es rollt, dann überwiegt ein Hochgefühl in diesem unberührten Paradies biken zu dürfen. Nur einmal ganz kurz berühren meine Reifen und Mexx‘ Pfoten Asphalt, in der scheinbar verlassenen Siedlung Cala Morell, malerische, weiße Häuschen rings um eine Bucht. Die Trailrunner, welche mir heute früh entgegen kamen (und mich mittags wieder überholten) warnten mich bereits in den frühen Morgenstunden: It’s difficult out there. Und ich sagte: I know. Denn was sollte mich noch schocken als erfahrene Bikeschlepperin durch nicht schiebbares Gelände. Somit verstehe ich erst im Nachhinein, warum mich jeder angestarrt hat, als wäre ich direkt vom Mond angereist. Trotz der viel geringeren Höhenmeter wie sonst, schenkt dir das schroffe Gelände an der Nordküste entlang nichts. Die Sonne geht unter und wir rollen, holpern, ächzen durch eine endlose Steinwüste direkt am Meer in den roten Feuerball hinein. Unzählige Schafe bekunden aufgeregt Mexx‘ Anwesenheit. Der Vierbeiner drückt schon den ganzen Tag auf den Turbo und läuft wie ein Uhrwerk. Jetzt aber am ersten Abend, die Hälfte meiner Isomatte einnehmend, den Kopf auf meinem Bauch, ist auch er schlummernd im Träumeland. Die Nacht, so sternenklar und rein… durch das Brechen der Brandung und dem Tosen des Windes wache ich immer wieder auf. Jedes Mal erblicke ich ein anderes Sternenbild, freue mich über jede Sternschnuppe, die fällt.

Nachtruhe kehrt ein...
Nachtruhe kehrt ein...
Traumhafte Buchten an der Südküste
Traumhafte Buchten an der Südküste
Bikepacking mit Hund - Menorca, GR 223
Bikepacking mit Hund - Menorca, GR 223
Weihnachten unter Palmen
Weihnachten unter Palmen
Bikepacking Menorca
Bikepacking Menorca
GR 223 Bikepacking mit Hund
GR 223 Bikepacking mit Hund

Am nächsten Morgen schleppen wir uns durch den Sturm weiter, finden in Ciutadella endlich Trinkwasser und die Südküste empfängt uns ein wenig radelfreundlicher. Türkises Wasser bricht sich an den weißen Felswänden unzähliger Buchten. Sanfter Waldboden, Sandstrände und nicht fahrbare holprige Felspassagen wechseln sich ab. Ein Ausweichen auf fahrbahrere Wege ist kaum möglich, wenn man sich nahe am Meer halten will. Die meisten anderen Wege sind Privatgrund und man steht regelmäßig vor verschlossenen Toren oder meterhohen Steinmauern.

Wir schlafen auf der Isomatte in den einsamen Buchten, zwischen den Felsen, im weißen Sand, die Wellen zu unseren Füßen. In Vorfreude suche ich auf Google Maps den einzigen Supermarkt heraus hier an der Küste, welcher als nicht „temporär geschlossen“ gekennzeichnet ist. Die Wirklichkeit sieht dann aber doch anders aus. Vergitterte Fenster, runtergezogene Rollläden. Closed. Kein Wunder bei den ausgestorbenen Orten an der Küste. Für mich jedoch schon ein Problem, was Wasser- und Lebensmittelversorgung angeht. Um auf Nummer sicher zu gehen, quatsche ich den einzigen Menschen an der Strandpromenade an, ob er wisse, ob dieser Supermarkt im Landesinneren auch wirklich offen hat. Denn umsonst Umweg radeln will keiner. „No, I don’t know. But I can drive you.“ Ich blinzele zweimal irritiert mit Blick auf meinen Lastesel mitsamt grauem Riesenhund. Die Worte „big car“ zerstreuen meine Zweifel und in wenigen Handgriffen ist alles im Transporter verladen. Wenige Minuten später stehe ich überglücklich vor den Supermarktregalen und danke meinem Retter hundertfach, ehe er uns wieder am Strand absetzt. Schwer bepackt rollen und schieben wir weiter, immer öfters ist der Weg zwar technisch, aber fahrbar. Tag und Nacht gehen ineinander über, gerahmt vom allgegenwärtigen Meeresrauschen und dem Heulen den Windes.

Als ich am Heiligen Abend wieder den Parkplatz mit unserer vierrädrigen 2 Quadratmeter-Wohnung erreiche, stoße ich ein Siegesjubeln aus. Die kommenden Tage verbringe ich schnorchelnd in den traumhaften Buchten und mit gemütlichen Wanderungen auf der Insel. Bevor wir wieder aufs Schiff steigen und mich Mexx fragend anschaut, warum hier alles so schwankt…

Doch noch ist unsere Reise in den Süden noch nicht zu Ende… Europas schönster Küstenwanderweg in Portugal wartet auf uns…

Sturm am Mittelmeer
Sturm am Mittelmeer
Einsame Buchten zum Schnorcheln
Einsame Buchten zum Schnorcheln
Täglich Sonnenuntergänge
Täglich Sonnenuntergänge
Tobeminuten am Strand
Tobeminuten am Strand
Blick ins grüne Hinterland
Blick ins grüne Hinterland
Felsen und türkises Wasser
Felsen und türkises Wasser

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