Bikepacking mit Hund – Lofoten: Durchquerung Süd nach Nord
Bikepacking mit Hund Lofoten

Bikepacking mit Hund – Lofoten: Durchquerung Süd nach Nord

The curious paradox is that when I accept myself just as I am, then I can change. (Carl R. Rogers)

Die Lofoten sind eine Inselgruppe mit mehr als 80 Inseln in Nordnorwegen. Ein atemberaubendes Paradies, wo die Berge steil und stolz direkt aus dem Meer emporragen. Vom südlichsten Punkt der Lofoten, dem Ort Å sind es etwa 500 Radelkilometer (und doch einige Höhenmeter) und drei Fährverbindungen bis nach Tromsø – der Hauptstadt der Arktis. Eindrücke eines einmaligen Bikepacking-Abenteuers mit Hund – die Lofoten Durchquerung.
Video bitte in HD schauen.

Vorsichtig öffne ich meine Augen und begutachte den schmalen Streifen hellen Lichts, der unter meinem Halstuch hervorlugt, welches ich mir als empfindlicher Nur-im-Dunkeln-Schläfer über die Augen gerollt habe. Ich gähne und ziehe mir den Stoff vom Kopf. Die Sonne schaut schräg und noch etwas blass vom Himmel, während mein Körper in den morgendlichen Aufstehmodus übergeht. Na dann mal los, auf geht’s! scheint jede Zelle mit schwingenden Armen zu rufen. Meine Hand greift nach dem Smartphone. 01:05 prangt dort in großen Lettern. Eine Stunde nach Mitternacht. Natürlich wusste ich in der Theorie, dass im hohen Norden im Mittsommer die Sonne nicht untergeht. In der Praxis wirft es mich jedoch gehörig aus der Bahn. Während ich versuche, all meine Körperzellen davon zu überzeugen, dass es trotz Tagesbeleuchtung mitten in der Nacht ist, ziehe ich mir grummelnd mein Halstuch wieder über die Augen. Es ist Nacht. Also dunkel. Schlaf jetzt!

Mexx auf den Hurtigruten
Mexx auf den Hurtigruten
Polarstation
Polarstation
MIttsommernachtssonne in Tromso
MIttsommernachtssonne in Tromso
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten
Bikepacking Lofoten
Sonne, Meer und Berge
Sonne, Meer und Berge
Der berühmte Ort Reine
Der berühmte Ort Reine
Ein dünnes Band übers Meer
Ein dünnes Band übers Meer
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten mit Hund

Die Idee (Schnapsidee Nummer 537) einer Raddurchquerung der Lofoten geisterte mir schon eine Weile durch den Kopf. Die Vorsilbe „Schnaps-“ ist aus den Randbedingungen begründet. Zum einen muss ich mitsamt dem normalen Gepäck noch einen 35 kg schweren Hundeopi in seinem 15 kg Comfort Wagoon hinter mir herziehen. Dann rein geografisch sehr weit in den Norden fahren. Und wie komme ich vom Endpunkt zum Anfangspunkt und zurück? An einem grauen Wochenende nehme ich mir die Zeit und die Nerven, mich diesen logistischen Problemen zu widmen. Denn ohne Hund und Anhänger wird man höchstwahrscheinlich auch vom Bus mitgenommen. Oder der Fähre. Bei manchen Fähren steht „only small dogs“. Aha. Eher schwierig, denke ich mir, mit einem Blick auf Mexx. Okay, ein realistischer Plan muss her. Da ich mich so wenig wie möglich aufgrund besagter Transportprobleme von Bus und Fähren abhängig machen will, entscheide ich mich für die Option, in Tromsø – dem Endpunkt der Tour mit dem Auto zu parken. Denn so muss ich nur eine Strecke mit Fähre/Bus zurücklegen. Da meine Internetrecherche nicht so eindeutige Infos liefert und auch die Anfragen per Mail eher mehr Fragen aufwerfen, will ich die ganze Sache schon sein lassen. Nix mit Lofoten! Denn ich möchte da oben ungern auf die Gunst eines Busfahrers angewiesen sein, ob er mich und meine Sieben Sachen auch mit nimmt. Am einfachsten wäre ein großes Schiff mit viel Platz, wo ich ganz gemütlich mit Rad, Gepäck und Hundeanhänger draufrollen kann. Ich stolpere über die Hurtigruten, die großen Postschiffe. Da gibt es tatsächlich eine Verbindung von Tromsø nach Svolvær. Auch wenn Svolvær etwa 130 km entfernt von meinem eigentlichen Start Moskenes liegt. Okay, es ist möglich, brumme ich … wir kriegen das schon irgendwie hin, Tiger!, und streichle mit dem Fuß über den graumelierten Hundebauch.

Morgenstimmung auf den Lofoten
Morgenstimmung auf den Lofoten
Vom Meer zum Berg...
Vom Meer zum Berg...
Paradies...
Paradies...
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten mit Hund
Zwischen Himmel und Erde
Zwischen Himmel und Erde

Tja und nun, etwa vier Wochen nach dem besagten grauen Wochenende schaue ich auf Tromsø und die Sonne schaut hinter hellgrauen Wolken zurück. Morgen kurz nach Mitternacht legt unser gebuchtes Schiff ab und bringt uns nach Svolvær. Und für den Fall, dass uns der Busfahrer mitnimmt, dann fahren wir noch nach Moskenes bzw. noch weiter bis an den südlichsten Punkt.

Sandstrand und eingeschneite Berge
Sandstrand und eingeschneite Berge
Bikepacking Lofoten mit Hund
Bikepacking Lofoten mit Hund
Karibik am Polarkreis
Karibik am Polarkreis
Bilderbuch-Lofoten
Bilderbuch-Lofoten
Schroffe Felswände
Schroffe Felswände
Landschaft wie im Fotokalender
Landschaft wie im Fotokalender
Lofoten mit dem Rad
Lofoten mit dem Rad
Traumwetter auf den Lofoten
Traumwetter auf den Lofoten

Nach 18 Stunden auf dem Hurtigrutenschiff sitzen wir nun in der Bushaltestelle in Svolvær und warten auf einen netten Busfahrer, der willig ist, Rad plus Gepäck plus Hundeanhänger plus Felltiger plus meine Wenigkeit an die Südspitze der Lofoten zu transportieren. Nach wundervollen Stunden mit netten Schiffspassagieren und hilfsbereitem Personal (unser Spezialtransport war anscheinend nicht so alltäglich) habe ich zudem noch so einiges dank des Hurtigruten-Guides über die Gegend gelernt. Wir besuchten verschiedene Ortschaften und auch den verwunschenen Trollfjord mit seinen majestätischen Felswänden und tosenden Wasserfällen.
Vorhin im Supermarkt wurde ich an der Kasse angesprochen: „Are you the girl with the bike?“ „And the dog.“, ergänze ich. Und schwups werde ich von den beiden Tourenguides nachhause eingeladen, wenn ich auf meiner Route bei ihnen vorbeikomme.

„Put everything off the bike.“, brummt ein stirnrunzelnd dreinblickender Busfahrer. Also Gepäcktaschen in das Staufach unten am Reisebus, Rad in die Halterung am Heck. Dann komme ich, den Hundeanhänger hinter mir herziehend, nochmal um die Ecke. „This too?“, fragt er, nun ziemlich genervt. Da fällt sein schon etwas grimmiger Blick auf Mexx, den ich an der Haltestelle angebunden hatte. „And this?“ „This too.“, sage ich. Der Blick wird noch etwas weniger freundlich und der Vierbeiner bellt als Erwiderung. Wenn der die ganze Zeit so bellt, fliegt er raus, grummelt der Busfahrer noch. Dann sitzen wir im Bus. Jedenfalls im ersten von zwei Bussen. Vor Fahrtbeginn findet ein Fahrerwechsel statt. Der neue Fahrer hilft beim Ausladen und fragt dann erstaunt, als er mich in meinem Ausrüstungshaufen stehen sieht: „Is this all yours?“ Er erklärt mir auch den Unmut wegen dem Spezialgepäck. Im Falle eines Schadens haftet der Fahrer selbst. Bei Umstieg in den zweiten Bus legt er ein gutes Wort für uns und meinen Haufen ein. So landen wir eine halbe Stunde vor Mitternacht bei Sonnenschein am südlichsten Punkt der Lofoten. Und nach ein paar Radelmetern krieche ich verdammt müde in den Schlafsack. Eingerahmt zwischen Meeresbrandung, Bergsee und Wasserfällen aus steilen Felswänden.

Zeltplatz (überall Sumpfgebiet)
Zeltplatz (überall Sumpfgebiet)
Fahrradwarnanlage in Tunneln
Fahrradwarnanlage in Tunneln
Tunnelfahrten
Tunnelfahrten
Bikepacking mit Hund Lofoten
Bikepacking mit Hund Lofoten
Regen und Sturm
Regen und Sturm
Am Europäischen Nordmeer
Am Europäischen Nordmeer

Mit etwa 50 km am Tag habe ich diese Tour geplant. Denn 35 kg Hund, 15 kg Hänger und ca. 15 kg Gepäck wollen ja auch noch gezogen werden. Doch am ersten Tag stehen dann 100 km am Ende da. Obwohl man in Anbetracht dieser Schönheit alle 5 m für ein Foto anhalten muss. Riesige, imposante Felswände laufen steil ins Meer aus, rot-weiße Holzhäuschen dazwischen, übertönt vom aufgeregten Kreischen der Möwen. Ich jubele in Anbetracht dieser Schönheit um mich herum. Dann wieder kommt es mir so unwirklich vor, als würde ich durch einen Fotokalender radeln. Weißer, weicher Sandstrand, klares, türkises Wasser, tiefgrün satt glänzende Berge, schroffe Felsgipfel noch mit Schnee bedeckt.

Die erste Fährüberfahrt steht an. Und nach einem turbulenten Tag aus sommerlichen Temperaturen, Regentropfen und Strumböen, die mich fast vom Rad rissen und wo ich in Windkanälen sogar schieben musste, lege ich einen Sprint von 30 km bis zum Hafen ein… denn laut Onlineauskunft sind die Überfahrten aufgrund technischer Probleme bis auf weiteres gestrichen. Das kann nicht sein, denke ich mir und gebe Gas. Am Hafen treffe ich auf Jonathan und Simon, ebenso zwei weitere deutsche Radler. Sie stehen genauso ratlos da. Wir debattieren im warmen Warteraum die Alternativen. Es gibt nur eine. Der E10 mit ihren langen und gefährlichen Straßentunneln folgen. Großer Umweg. Nicht sehr verlockend. Simon spricht den ebenso wartenden Tramper an, was seine Pläne sind. Dieser sagt, er warte auf die nächste Fähre. „The ferry won’t come…“ setzt Simon an und zeigt aus dem Fenster… auf die ankommende Fähre. Wir jubeln. Die Angaben im Internet waren falsch. Es war nur eine Fähre gestrichen, nicht alle! Wir trennen uns erst, nachdem wir unsere Geschichten ausgetauscht hatten und ich die beiden Jungspunde schweren Herzens ziehen lasse. Aber ich habe schon 100 km mit teils garstigem Gegenwind in den Beinen und will einfach nur noch schlafen…

Rentiere und Elche
Rentiere und Elche
Elch...sonst unzählige Rentiere
Elch...sonst unzählige Rentiere
Kurze, steile Anstiege auf Brücken
Kurze, steile Anstiege auf Brücken
Bikepacking mit Hund Lofoten
Bikepacking mit Hund Lofoten
Sonne satt
Sonne satt
Leere Straßen
Leere Straßen
Radeln mit Jonathan
Radeln mit Jonathan
Rentierherden
Rentierherden

An der nächsten Fähre treffe ich Jonathan wieder. Auf der langen Überfahrt von Andenes nach Gryllefjord suchen wir das Meer nach Walen ab. Manchmal denken wir auch was gesehen zu haben… eine schwarze Flosse, die schnell wieder in den Fluten verschwindet. Wir reden über Träume, Vergangenheit, Wünsche und das Radfahren. Radeln zusammen in den Abend hinein, der eine Nacht mit purem Sonnenschein ankündigt. Mein Biorhytmus (ich fahre tagsüber) ist konträr zu seinem (Nachtradler). So zelte ich am Strand und wir verabreden uns für die nächste Fähre. Nach 65 km erreichen Mexx und ich Botnhamn und ich bin im Paradies. Es gibt eine kostenlose warme Dusche am Hafen! Was für ein Genuss. Es sind noch über 60 Straßenkilometer bis Tromsø. Für mich ein schier unmögliches Ziel, das heute noch zu schaffen. Doch gemeinsam mit Jonathan, quasselnd, lachend, motivierend kommen wir kurz vor 22 Uhr nach (für mich) 130 km und 1600 Höhenmetern an einem Tag (wovon Mexx vielleicht nur 5 Kilometer gelaufen ist) am Auto an und gönnen uns erstmal einen Festschmaus… Und weiter geht’s durch Norwegen…

7 Schwestern Wasserfall
7 Schwestern Wasserfall
Mit dem Packraft im Geirangerfjord
Mit dem Packraft im Geirangerfjord

Schreibe einen Kommentar

Menü schließen