Wenn du denkst, du kannst nicht mehr, dann mach immer nur noch einen Schritt – den nächsten. (Gedanken beim Aufstieg)
Wilde, einsame Dreitausender mit Glocknerblick? Ja, die gibt es. Aber dann eben auch fern vom Normalen – weglos, steil, ungewiss. Nachdem ich letzten Samstag mit „meinem Bergführer“ eine ziemlich wilde Aktion durch steile Schneefelder und Geröllrinnen durchgezogen habe (und den anschließenden Downhill-Mädelssonntag umso mehr gefeiert habe 😉 ), verschlägt es mich auch hier in Osttirol abseits der Pfade. Auf Gipfel, die keiner kennt, keiner geht, ohne Weg, ohne Markierung. Eine Bike and Hike Tour auf den Gamskopf und den Gramul mit Hund. Vorsicht – das hier hat nichts mehr mit Wandern zu tun und ist nur erfahrenen Alpinisten zu empfehlen, die sich im weglosen alpinen Gelände orientieren können.
Start aus Großdorf/Kals bei azurblauem Himmel (7:15 Uhr). Stetig bergauf treten Richtung Taurer, dann auf die Asphaltstraße Richtung Moaalm/Teischnitztal. Nach kurzer Zeit und steilem Getrete rechts den Forstweg Richtung Stüdlhütte folgen. Nachdem der Vierbeiner seine morgendlichen zwanzig Minuten Trödelei und Zeitunglesen hatte, springt die Zugmaschine an und wir kämpfen uns Serpentine um Serpentine hoch. Schlängeln uns den Weg entlang, rechts von uns Felsen, links der Abgrund in den reißenden Bach. Dann öffnet sich die Teischnitzebene, rechts der Wanderweg zur Stüdlhütte. Nahezu eben rollen wir zur Pifangalm auf 2248 m (9.15 Uhr). Ab hier Beine wieder auf Laufmodus umschalten und los geht’s.
Wir folgen Kuh- und Schafpfaden das Tal hinauf. Kurz nach der Alm kann man den Bach auf einem Brett überqueren (sehr empfehlenswert, da recht viel Wasser). Kurz vor Talschluss linkerhand einen bocksteilen Grashang hinauf – auf den Spuren der Schafe, bis wir auf etwa 2600 m eine Hochebene erreichen. Umringt von Gipfeln, mutterseelenallein, der Bach rauscht – was für ein Traum! Weiterhin steil und weglos geht es durch Geröll nach oben. Auf den Moränenrücken lässt es sich verhältnismäßig angenehm laufen. Ich schaue aufs GPS – fast wären wir die falsche Rinne hoch. Also mehr rechts halten. Am Gipfelaufbau des Gamskopfes tummelt sich eine Herde Gämse – mit was für Kletterkünsten diese Huftiere aufwarten, was für ein Schauspiel!
Zäh bergauf durch Felsblöcke und Schutt, aber relativ gut gehbar. Dank des Sommerfirns der Schneefelder gewinnt man bequem an Höhe. Die letzten Meter bis zum Grat – ein grandioser Blick in das Fruschnitzkees! Ich ziehe der Fellnase das Kraxelgeschirr an, blicke noch leicht skeptisch den Grat entlang – in der einzigen Tourenbeschreibung, die ich gefunden habe, steht „Kletterstellen 1. bis 2. Grat, ausgesetzt„. Na, das kann ja heiter werden (11:15 Uhr). Problemlos überwinden wir die ersten Meter, kraxeln exponiert auf der Schneide, bis wir in einen Abschnitt mit steil aufragenden dünnen Platten kommen. Für Hundepfoten eher weniger geeignet, aber linkerhand zu umgehen. Ein Träumchen – als wir dann den höchsten Punkt erreichen (11:40 Uhr), flacht der Adrenalinpegel in meinem Blut etwas ab, ich vergieße vor Erleichterung ein paar Tränchen und nehme den Vierbeiner in den Arm. Du bist der Wahnsinn, Fellnase. Für Nicht-Hundemenschen vielleicht schwer nachvollziehbar, aber ich habe nie das Gefühl mit einem Tier auf Tour zu sein, sondern mit einem Mix aus treuem Freund und Kind (manchmal eher bockig, manchmal sehr verspielt), aber immer ein eingespieltes Team 😉 .
Zurück zum Grat vorm Felsturm, wo ich die Stöcke deponiert habe. Ein paar Meter Abstieg ins Kar, queren über Geröll und Schneefelder und erneut stehen wir vor einer weglosen Geröllflanke. Soweit hoch wie es geht über Sommerfirn, dann etwas anstrengender nach oben stiefeln, etwas kraxeln und schon stehen wir auf diesem riesigen Gipfelplateau des Gramul und bestaunen den Groß Glockner (13 Uhr). Fernab der Menschenmassen – nicht einen anderen Tourengeher habe ich getroffen. Die meisten Wanderer oder Mountainbiker drehen an der Pifangalm wieder um.
Vom Gramul einen etwas anderen Abstiegsweg gesucht, durch den Schutt bergab geschlittert, im Skifahrmodus ohne Ski durch den Schnee – bis es sogar Fellnase zu steil wurde und wir doch lieber im Geröll gegangen sind. Zurück zur Hochebene, diesmal entlang des Baches rechterhand bergab bis zum Talboden. Zur Pifangalm, ein Plausch mit den Almleuten, die gar nicht richtig fassen konnten, wo ich herkam (15 Uhr). Aufs Radl schwingen und geschwind bergab. Und so langsam befürchte ich, dass ich damals keinen Problemhund aus dem Tierheim geholt habe, sondern ein Perpetuum Mobile. Oder vielleicht sind wir auch gerade in der fittesten Form unseres Lebens (Alta Via Monte Liguri und Tour des Combin sei Dank 😉 ). Und bei jedem Schweißtropfen sehe ich meinen Abenteuerdrehzahlmesser vor mir: Auf Anschlag und hintereinander weg wird die Bucketlist für gefühlt ein ganzes Leben in einem halben Jahr abgearbeitet. Wer weiß, was nächstes Jahr ist? Nunja, da steht zumindest dick und fett „Hängemattenzeit“ auf meiner Bucketlist. Und der Rest? Wird sich zeigen 🙂 .
Gamskopf und Gramul mit Hund:
- von Kals bzw. Großdorf aus ca. 25 km und ca. 2000 hm (Parken ist vorm Taurerwirt möglich, da spart man sich paar Höhenmeter)
- mit dem MTB bis zur Pifangalm auf 2248 m
- danach wegloses, alpines Gelände
- der Grat zum Gamskopf ist teilweise Kraxelei im ersten/zweiten Grat und recht ausgesetzt
- der Aufstieg zum Gramul ist steil durchs Geröll
- Abstieg wie Aufstieg
- Bericht auf hikr.org hier – der Luckenkogel (3025 m), der hier noch begangen wurde, ist vorn am Abgrund eine kaum sichtbare Erhebung, mehr ein Felskopf in der Ebene – wir haben verzichtet 😉
Hinweise (eigentlich selbstverständlich…) :
- absolute Trittsicherheit und alpine Erfahrung für Mensch und Hund erforderlich – nur das tun, was man sich zu traut.
- Bei Vereisung, Schnee und Nebel heikel!
- Im leichten Gelände geht Mexx bei mir an einer elastischen, aber doch stabilen Leine. Im sehr leichten (Geh-)Gelände am Zuggeschirr. Wird das Gelände schwieriger, verwende ich Seil bzw. Schlingen und Karabiner zum Sichern. Für anspruchsvolle Kraxelstellen mit benötigter Unterstützung sollte ein klettertaugliches Geschirr gewählt werden.